Berlin (ots) - Wolodymyr Selenskyj ist sich sicher, dass bald schon
Nato-Soldaten in der Ukraine sein werden. Und zwar nicht ein paar, sondern
tausende, sagte der ukrainische Präsident beim Treffen mit dem Präsidenten des
Europäischen Rates, António Costa, am Freitag in der westukrainischen Grenzstadt
Uschhorod. Die Information, dass es sich um 10 000 Soldaten handeln soll, wollte
Selenskyj nicht bestätigen, nur den Fakt, dass Nato-Soldaten kommen werden. Auch
wenn es "noch etwas zu früh" sei, um darüber zu reden.
Genau das hatten tags zuvor die Ukraine und die sie unterstützende "Koalition
der Willigen" in Paris getan. Darüber geredet, wie man Soldaten zur
Friedenssicherung entsenden kann. Und das, ohne einen Plan zu haben, wie der
Krieg nach dreieinhalb Jahren beendet werden kann. Sicherlich ist es sinnvoll,
eine Vorstellung zu haben, wie man einen Frieden sichert und die Ukraine davor
bewahrt, erneut von Russland angegriffen zu werden. Doch sollte man auch einen
Plan haben, wie man die Waffen zum Schweigen bringen kann, also den ersten
Schritt vor dem zweiten Schritt macht, und nicht umgekehrt. Diesen gibt es aber
nicht.
Ehrlich gesagt, hätte man sich das Treffen in Paris auch sparen können. Außer
viel heißer Luft und einer ordentlichen Portion Schadstoffemissionen hat es
nichts gebracht. Nicht einmal Selenskyj, der harte Sicherheitsgarantien
gefordert hatte, konnte hinterher aufzählen, wer denn nun bereit ist, diese zu
gewähren. Für den ukrainischen Präsidenten ist das nach der großangelegten
propagandistischen Vorbereitung ein Reinfall. Da helfen auch keine Versuche des
Präsidentenbüros, den Pariser Gipfel als großen Erfolg zu verkaufen, der eine
breite Rückendeckung für die Ukraine demonstriert habe.
Statt Stärke und eine Einheitsfront zu demonstrieren, scheint sich die Koalition
zu demontieren. Die großspurigen Erklärungen sollen kaschieren, dass der
Koalition die Willigen weglaufen. Mit jedem Tag wird die Liste der Länder, die
abwinken, länger.
Griechenland, Polen, Italien, Japan, Kroatien sind schon abgesprungen, bevor der
Friedenssicherungszug überhaupt Fahrt aufgenommen hat. Und das keinesfalls, weil
sie Russlandfreunde sind. Andere Staaten wollen sich nicht klar positionieren,
wie das russlandkritische Litauen. Oder sie verweisen auf internationale
Vereinbarungen, die zuvor getroffen werden müssen. Slowenien möchte vor der
Entscheidung den Segen der UN oder wenigstens eine Übereinkunft in der EU.
Der Gipfel in Paris hat den Europäern ihre Handlungsunfähigkeit schmerzlich vor
Augen geführt und verdeutlicht, wie klein ihre Rolle auf dem diplomatischen
Parkett sind. Die Richtung bestimmen die USA, Europa kann nur folgen und sich um
Schadensbegrenzung bemühen. Selbst die Entsendung von Soldaten in die Ukraine
ist ohne US-Unterstützung nicht möglich. Doch in Washington will man den Kreml
nicht weiter reizen oder am besten gleich schnell Frieden schließen, auch wenn
Kiew und Brüssel ihre Forderungen dann nicht durchbekommen. Für die Ukraine ist
das kein gutes Zeichen, denn ohne Washington bleiben die Willigen machtlos und
Kiew allein im Kampf gegen die russische Invasion.
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