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Osnabrück (ots) - Pauschale Verbote würden Recht auf Teilhabe und Aufbau von
Medienkompetenz verhindern - "Pädagogisch zu kurz gegriffen"
Das Deutsche Kinderhilfswerk warnt entschieden vor einem pauschalen
Social-Media-Verbot für Kinder und Jugendliche. Der "Neuen Osnabrücker Zeitung"
sagte Geschäftsführer Kai Hanke: "Pauschale Verbote entmündigen Kinder und
Jugendliche und stehen in krassem Widerspruch zu ihrem in der
UN-Kinderrechtskonvention garantierten Recht auf digitale Teilhabe sowie den
Aufbau von Medienkompetenz. Ist das notwendige Mindestalter dann erreicht, sind
die jungen Menschen wieder denselben Mechanismen unterworfen, allerdings ohne
zuvor Medienerfahrungen mit den Risiken der Nutzung gesammelt zu haben und dann
umso anfälliger für ihre Wirkung." Ein Verbot sei "pädagogisch zu kurz
gegriffen" und könne zudem zu einer weiteren Benachteiligung von jungen Menschen
aus bildungsfernen Familien beitragen. "In unserer zunehmend digital geprägten
Lebenswelt dürfen Kinder und Jugendliche nicht außen vor bleiben. Wir brauchen
kindgerechte digitale Rückzugsräume und konsequente Ansätze für die Vermittlung
von Medienerziehungskompetenz an Eltern schon im frühkindlichen
Bildungsbereich", fordert Hanke.
Zuletzt hatte Bundesbildungsministerin Karin Prien (CDU) einen wirksameren
Kinder- und Jugendschutz in sozialen Netzwerken angemahnt. Alle bisherigen
Regeln und Gesetze schützten zu wenig oder gar nicht, sagte die Ministerin bei
einer CDU-Veranstaltung zu dem Thema. Unter anderem forderte sie jeglichen
Verzicht auf Medien in den ersten drei Lebensjahren und schloss sich damit der
Kampagne "Bildschirmfrei bis drei" von Kinder- und Jugendärzten an. Die
bundesweite Elterninitiative "Smarter Start", die 250.000 Unterschriften für
eine Petition im Bundestag gesammelt hat, möchte ein gesetzliches Mindestalter
von 16 Jahren für soziale Medien einführen. Als Vorbild gilt etwa Australien,
das ab Dezember ein solches Verbot umsetzen will.
Das Deutsche Kinderhilfswerk warnt nun vor einer sich "immer weiter verkürzenden
Debatte um Social-Media-Verbote für Kinder und Jugendliche". Stattdessen
bräuchte es "differenzierte Begriffe von Angeboten Sozialer Medien und wir
brauchen vor allem ein differenziertes, altersgerechtes Angebot zur digitalen
Teilhabe aller Kinder und Jugendlichen". "Pauschale Medienverbote könnten zwar
den Zugang zu riskanten Online-Räumen erschweren, doch ein kompetenter und
sicherer Umgang wird nur in der aktiven Nutzung junger Menschen erlernt", sagte
Hanke. Die Kinderrechtsorganisation sehe zwar auch, dass ein grundsätzlicher
Regulierungsbedarf besteht. "Hier könnten eigenständige Europäische Plattformen,
die nicht den Zwängen der Aufmerksamkeitsökonomie unterliegen, eine Lücke
schließen, die durch eine Zugangsbeschränkung zu sozialen Medien entstehen
würde", so die Forderung. Jede Entscheidung für ein Verbot sozialer Meiden würde
junge Menschen in ihrem Recht auf den Zugang zu Medien beschneiden.
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Das Zitat von Kai Hanke, Geschäftsführer des Deutschen Kinderhilfswerkes, im
Wortlaut:
Das Deutsche Kinderhilfswerk warnt vor einer sich immer weiter verkürzenden
Debatte um Social-Media-Verbote für Kinder und Jugendliche. Wir brauchen
differenzierte Begriffe von Angeboten Sozialer Medien und wir brauchen vor allem
ein differenziertes, altersgerechtes Angebot zur digitalen Teilhabe aller Kinder
und Jugendlichen. Pauschale Medienverbote können zwar den Zugang zu riskanten
Online-Räumen erschweren, doch ein kompetenter und sicherer Umgang wird nur in
der aktiven Nutzung junger Menschen erlernt. Als Kinderrechtsorganisation sehen
wir natürlich auch, dass Kinder- und Jugendschutz den Geschäftsmodellen großer
Plattformen in vielen Fällen entgegenstehen und damit einhergehend ein
grundsätzlicher Regulierungsbedarf besteht, um dieses Missverhältnis zu ändern.
Hier könnten eigenständige Europäische Plattformen, die nicht den Zwängen der
Aufmerksamkeitsökonomie unterliegen, eine Lücke schließen, die durch eine
Zugangsbeschränkung zu sozialen Medien entstehen würde. Denn jede Entscheidung
für ein Verbot sozialer Medien für junge Menschen muss im Auge haben, dass diese
damit in ihrem Recht auf den Zugang zu Medien, auf Beteiligung an Politik,
Kultur und Bildung beschnitten würden.
Die sozialen Medien und wie sie heute den Alltag junger Menschen prägen sind
eine große Herausforderung für den Kinder- und Jugendmedienschutz. Einerseits
stellen sie einen zentralen Ort sozialen Austausches und der Freizeitgestaltung
dar, andererseits sind sie gespickt mit Anreizen zur Risikonutzung und
unzureichenden Vorsorgemaßnahmen für junge Nutzergruppen. Die vielerorts
geforderten Verbote greifen jedoch erheblich in die Lebenswelt der Kinder und
Jugendlichen ein, ohne Alternativen aufzuzeigen oder gar Kinder und Jugendliche
in die Entwicklung von Regulierungsansätzen einzubinden. Verbote würden die
positiven sozialen Kommunikationswege in diesem Bereich abschneiden und Kindern
einen Rückzugsort ihrer Lebenswelt ohne angemessenen Ersatz nehmen. Das Deutsche
Kinderhilfswerk fordert daher auch die verbindliche Einbindung der Interessen
von Kindern und Jugendlichen bei Fragen des Kinder- und Jugendmedienschutzes,
und zwar gemäß geltender Qualitätsstandards für Kinder- und Jugendbeteiligung,
wie sie sich in langjähriger Praxis der Kinder- und Jugendarbeit bewährt haben.
Pauschale Verbote entmündigen Kinder und Jugendliche und stehen in krassem
Widerspruch zu ihrem in der UN-Kinderrechtskonvention garantierten Recht auf
digitale Teilhabe sowie den Aufbau von Medienkompetenz. Ist das notwendige
Mindestalter dann erreicht, sind die jungen Menschen wieder denselben
Mechanismen unterworfen, allerdings ohne zuvor Medienerfahrungen mit den Risiken
der Nutzung gesammelt zu haben und dann umso anfälliger für ihre Wirkung. Das
ist pädagogisch zu kurz gegriffen und kann zudem zu einer weiteren
Benachteiligung von jungen Menschen aus bildungsfernen Familien beitragen. In
unserer zunehmend digital geprägten Lebenswelt dürfen Kinder und Jugendliche
nicht außen vor bleiben. Wir brauchen kindgerechte digitale Rückzugsräume und
konsequente Ansätze für die Vermittlung von Medienerziehungskompetenz an Eltern
schon im frühkindlichen Bildungsbereich.
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rl
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