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Berlin (ots) - Die Entscheidung der US-Regierung, "Antifa Ost" zur
"Terrororganisation" zu erklären, ist lediglich eine Etikettierung, die weniger
über die Realität antifaschistischer Militanz aussagt als über die ideologische
Schieflage einer Regierung, die verzweifelt nach Feindbildern sucht. Und das ist
keine Überraschung, denn es sind erst zwei Monate vergangen, seit Trumps
Regierung angekündigt hat, "die" Antifa als inländische terroristische
Organisation einzustufen. Aus ihrer Sicht musste sie nach der Tötung des
rechtsextremen und regierungstreuen Aktivisten Charlie Kirk Taten liefern. Das
bisherige Ergebnis ist jedoch mangelhaft.
Man muss die Aktionen, die "Antifa Ost" vorgeworfen werden, nicht romantisieren.
Aber wer diesen von deutschen Behörden und Medien zur kriminellen Vereinigung
hochstilisierten Zusammenhang in eine Reihe mit islamistischen Gruppen und
rechtsterroristischen Banden stellt, betreibt Propaganda zum politischen
Eigenzweck. Antifa-Gruppen erstellen keine Todeslisten, horten keine Waffen und
sind sicherlich nicht "eine kranke, gefährliche, radikale Katastrophe" (O-Ton
Trump). Laut US-Außenminister Marco Rubio verfolge "Antifa Ost", wie die anderen
linken Gruppen aus Griechenland und Italien, eine revolutionäre anarchistische
oder marxistische Ideologie, "inbegriffen Antiamerikanismus, Antikapitalismus
und Antichristentum". Es gehe darum, "gewaltvolle Angriffe im Inland wie im
Ausland zu initiieren und zu rechtfertigen". Die westliche Zivilisation werde
also von nichts Geringerem als einem nicht existenten linksextremen Netzwerk
unterminiert.
Antifaschistische Gruppen in Deutschland agieren in einem Umfeld, in dem
rechtsextremistische Gefahr konkrete Erfahrung ist: Anschläge auf Unterkünfte
von Geflüchteten, NSU-Mordserie und die kontinuierliche Erstellung von
Todeslisten (siehe kürzlich Dortmund!). Umrahmt wird das Ganze von den
Wahlerfolgen einer von vielen Analysten als rechtsextrem eingestuften Partei,
die Diskurse wie "Remigration" salonfähig gemacht hat. Dass Menschen daraus den
Schluss ziehen, den Faschisten selbst gewaltvoll entgegenzutreten, kann
kritisiert werden. Dass Menschen dagegen aktiv auf die Straße gehen und sich
dieser Gefahr widersetzen, gehört jedoch zur politischen Meinungsfreiheit. Wer
antifaschistische Gruppen kriminalisiert, schwächt jene, die dort aktiv sind, wo
der Staat oft zu spät oder gar nicht eingreift.
Die US-Regierung verfolgt mit dieser Einstufung das Ziel, progressive Bewegungen
in den USA und weltweit an der Seite von Orbán, Wilders & Co. weiter
einzuschüchtern. Dass einzelne vermeintliche Mitglieder des Konstrukts "Antifa
Ost" bald mit Einreiseverbot und Vermögensbeschlagnahmung in den USA
konfrontiert sein könnten, ist dabei vielleicht erst mal nur ein "individuelles
Problem". Sowieso ist "Antifa Ost" ein nicht existenter Verein ohne
Finanzkonten. Mit dem Begriff "Hammerbande" kann Trump aber seiner Behauptung
Glaubwürdigkeit verleihen, dass es so etwas wie eine Terror-Antifa gemäß seinem
ideologisch aufgeladenen Freund-Feind Schema gibt. Die Einstufung von "Antifa"
als inländische Terrororganisation wird Teil eines gängigen autoritären Musters
überall dort, wo die Rechte an den Schalthebeln der Macht sitzt und ihren
rassistischen und misogynen Ansichten freien Lauf lässt. Der Angriff auf den
Antifaschismus ist die notwendige Vorstufe zu einem Angriff auf jede progressive
Idee, die nicht in die vom nationalistischen Denken imaginierte Homogenität
passt.
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