|
Berlin/Wien (ots) - Seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine am 24. Februar
2022 wurden die Sanktionen gegen Moskau immer weiter verschärft. Die EU hat
inzwischen das 19. Sanktionspaket beschlossen. Ziel ist, das Regime
wirtschaftlich und politisch unter Druck zu setzen. Neben massiven Handels- und
Finanzbeschränkungen wurden auch Reiseverbote und Blockaden von Finanzmitteln
für "Geschäftsleute" verhängt, die angeblich " in Wirtschaftssektoren tätig
sind, die für die Regierung der Russischen Föderation, eine wesentliche
Einnahmequelle darstellen ". Ein derart weit gefasstes Kriterium, dass es quasi
jeden treffen könnte. Seit 2014 hat die EU etwa 2500 Personen mit
Einreiseverboten und Vermögenssperren belegt, davon etwas über Hundert
Geschäftsleute.
Gerade gegen diese persönlichen Sanktionen gibt es massive Kritik: Experten
sagen, dass bei der Sanktionsverhängung oft nicht transparent oder gründlich
genug geprüft werde. Diverse Sanktionen wurden vor europäischen Gerichten daher
bereits aufgehoben. Dennoch werden die Maßnahmen häufig mit fadenscheinigen
Begründungen und trotz gegenteiliger Urteile verlängert und auf
Familienmitglieder ausgeweitet.
Rechtsanwalt Dr. Gabriel Lansky, der mehrere dieser Geschäftsleute vertritt,
kritisiert auf einer Pressekonferenz vor internationalen Medienvertretern in
Berlin eine "Beweislastumkehr und Kollektivbestrafung". Er stellt klar: "Es geht
nicht darum, ob Sanktionen als Instrument des Völkerrechts legitim sind. Das
sind sie. Es geht darum, ob die EU ihre eigenen rechtsstaatlichen Maßstäbe und
Werte einhält. Wir meinen, dem ist nicht so! Vom ursprünglichen Anspruch 'smart
sanctions' - also zielgenaue Maßnahmen gegen diejenigen, die tatsächlich
Verantwortung tragen, sind wir heute weit entfernt."
Sein Kollege Dr. Peter Gauweiler ergänzt: "Wir haben heute ein Strafrecht durch
die Hintertür. Wir haben es klar mit einem rechtsstaatswidrigen Vorgehen zu
tun."
Die Krux in der Sache ist: Obgleich sanktionierte Personen das Recht auf eine
gerichtliche Prüfung der verhängten Maßnahmen haben, führt die Kombination von
langer Verfahrensdauer und halbjährlicher Erneuerung der Sanktionslisten zu
einer Situation, in der bereits neue Sanktionen verhängt wurden, wenn das
Gericht alte, quasi gleichlautende Maßnahmen für illegal erklärt. In den Worten
von Lansky entsteht so ein "Perpetuum Mobile illegaler Sanktionen".
Niemand muss in Europa seine Unschuld beweisen!
Lansky sieht neuerdings auch das rechtsstaatliche Prinzip der Unschuldsvermutung
ins Gegenteil verkehrt: "Rein juristisch sollte die Lage im Rechtsstaat EU klar
sein: Der Rat trägt die Beweislast, dass eine Person die Sanktionskriterien
erfüllt. In der Praxis sehen wir aber häufig einen Bezug auf alte oder vage
Quellen. Und seit einer Novelle vom Frühjahr 2025 muss nun in gewissen Fällen
die beschuldige Person beweisen, die Kriterien nicht mehr zu erfüllen.
Übersetzt: Einmal "Oligarch" - immer "Oligarch", es sei denn, Sie beweisen aktiv
das Gegenteil. So etwa im Fall des ehemaligen Unternehmers Dmitry Pumpyansky,
der bereits drei Verfahren gegen die EU-Sanktionen gewonnen hat und mit immer
neuen, fadenscheinigen Gründen erneut gelistet wurde. Da dem Rat die Argumente
ausgehen, ihn weiterhin und entgegen der Rechtsprechung des Gerichts der
Europäischen Union (EUG) zu sanktionieren, dreht man kurzerhand die Beweislast
um! Das widerspricht einem Kernprinzip rechtsstaatlicher Verfahren: Wer
eingreift, muss beweisen - nicht umgekehrt."
Der Europäische Rat steht nicht über dem Gesetz!
Lansky kritisiert eine mangelnde Gewaltenteilung: "Der Rat als Exekutive setzt
sich faktisch über das Korrektiv der Judikative hinweg. Die EU gerät damit in
eine merkwürdige Lage: Einerseits kritisiert sie Staaten, die Urteile ihrer
Gerichte ignorieren. Andererseits toleriert sie im Sanktionsrecht genau diese
Praktiken." Dr. Peter Gauweiler: "Beim Sanktionsrecht wird jede parlamentarische
Kontrolle außer Kraft gesetzt. Das können sich die Parteien nicht gefallen
lassen. Es dürfen keine Geheimgesetze erlassen werden. Über Grundrechtsbrüche
wird permanent hinweg gegangen. Nach dem Motto: Es wird schon nicht die Falschen
treffen. "
Meinungsfreiheit gilt für Alle!
Häufig wird eine Aufhebung der Sanktionen an eine auch öffentliche Abkehr vom
russischen Regime gekoppelt. Dr. Lansky dazu: "Das kommt einer Gesinnungsprüfung
gleich! Der Staat darf niemals verlangen, dass jemand bestimmte Meinungen
äußert, um seine Grundrechte zurückzubekommen. Das ist ein Zugang, wie wir ihn
sonst wohl nur aus Nordkorea kennen."
Es gibt keine Sippenhaft!
Immer wieder werden Sanktionen auf Familienmitglieder ausgeweitet, die überhaupt
keinen direkten Bezug zu den geschäftlichen Tätigkeiten der Firmen ihrer
Angehörigen haben. Lansky: "Hier sehen wir eine gefährliche Verschiebung von
individueller Verantwortung hin zu etwas, das man als Sippenhaft-Tendenz
bezeichnen kann. Je breiter dieses Netz gespannt wird, desto schwerer wird eine
ganz einfache Frage: Was genau hat diese konkrete Person getan, um die
Sanktionen zu rechtfertigen? Am Ende bleibt man gelistet, nicht wegen eigenen
Handelns, sondern wegen des falschen Nachnamens. Ein gutes Beispiel hierfür ist
etwa Alexander Pumpyansky, der in der Vergangenheit unbedeutende Funktionen in
den Unternehmen seines Vaters innehatte; bereits seit seiner Jugend in Genf
ansässig, musste der russisch-schweizer Doppelstaatsbürger mit seinen dort
geborenen schulpflichtigen Kindern das Land verlassen, nur weil der der Sohn
seines Vaters ist. Auch die Sanktionen gegen ihn wurden vom EUG bereits mehrfach
als unbegründet aufgehoben, er bliebt dennoch sanktioniert!"
Die EU muss sich an ihre eigenen Prinzipien halten!
Lansky: "Gerade diejenigen unter Ihnen, die Sanktionen politisch am stärksten
unterstützen, sollten sich die Frage stellen: Wie sanktionieren wir? Wenn wir
zulassen, dass Gerichte systematisch ausgebremst werden, Beweislasten umgedreht
werden, Familienangehörige kollektiv in Geiselhaft genommen werden,
Vermögensarreste entgrenzt und zeitlich entkoppelt werden, dann riskieren wir,
am Ende genau das zu verspielen, was wir zu schützen vorgeben: die
Glaubwürdigkeit unseres Rechtsstaats. Es geht nicht um den Schutz von Reichen.
Sondern um den Schutz von Menschen vor Rechtsmissbrauch. Auch im Krieg gilt es,
sich an rechtliche Grundsätze zu halten. Sanktionen sind nicht irgendwelche
Maßnahmen. Sanktionen sind Atombomben des Rechts!"
Pressekontakt:
Lansky, Ganzger, Goeth & Partner Rechtsanwälte GmbH
Herr Philipp Freund, M.A., B.A
Head of Government Relations und Public Affairs
Biberstraße 5
1010 Wien
E-Mail: mailto:philipp.freund@lansky.at
Tel.: +43-1-533-33-30-0
Weiteres Material: http://presseportal.de/pm/117340/6170948
OTS: Lansky, Ganzger & Partner Rechtsanwälte GmbH
|