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Potsdam (ots) - Das Themenheft zur "Bundeswehr in der beginnenden 'Ära der
Auslandseinsätze' (1987 bis 2001/02)" befasst sich mit der deutschen
Sicherheitspolitik in der Zeit der 'neuen Kriege' und 'out of area'-Einsätze vom
KSE in Europa-Prozess am Ende des Kalten Krieges über die Entsendung der
Bundeswehr nach Kambodscha 1991/92 bis zum ersten ISAF-Kontingent.
Aufsätze
Formen- und Funktionswandel der Bundeswehr in der deutschen
Sicherheitsarchitektur seit 1990
Das vorliegende Themenheft bietet einen Einblick in ein Forschungsprojekt am
Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr zur
Geschichte der deutschen Streitkräfte nach 1990. Die hier präsentierten Beiträge
nähern sich aus unterschiedlichen Perspektiven dieser Geschichte der Bundeswehr
in der "Ära der Auslandseinsätze". Der Ausgangspunkt hierzu soll jedoch nicht
länger der Auslandseinsatz allein sein. Vielmehr möchte das Projekt darüber
hinaus die politischen Bedingungs- und Bestimmungsfaktoren der militärischen
Auslandsmissionen ausleuchten. Somit tritt der Auslandseinsatz nicht mehr als
gleichsam objektive und statisch gedachte ontologische Größe hervor, sondern
erweist sich als Handlungsfeld eines dynamischen Wandels. Dies gilt bereits für
die perspektivengebundene und im Zeitverlauf veränderliche Wortprägung des
Einsatzes. Zumindest zu Anfang der 1990er Jahre war aber auch die Kompetenz,
Auslandsmissionen planen und anordnen zu können, umstritten. Obwohl das
bundesdeutsche Militär hinsichtlich der Entscheidungen zu den Einsätzen dem
Primat der Politik unterlag, verfügte es gleichwohl über Handlungsspielräume,
die in den politischen Raum hineinwirkten. Dies zu beleuchten, ist das Anliegen
dieses Themenheftes.
von Thorsten Loch und Martin Rink ( https://doi.org/10.1515/mgzs-2025-0053 )
Neue Kriege, die Bundeswehr und der Einsatz. Verlegenheitsbegriffe oder
Indikatoren für etwas Neues?
Bereits Zeitgenossen bezeichneten die Zäsur infolge des Berliner Mauerfalls von
1989 und der deutschen Einheit im Folgejahr als eine Zeitenwende. Während sich
daran in der nördlichen Hemisphäre die Erwartung einer globalen Friedensordnung
knüpfte, traten in Afrika, Asien, auf dem Balkan sowie an den Randzonen der
postsowjetischen Staaten gleichzeitig neue Konflikte hervor, die bald auf die
Sammelbezeichnung neue Kriege gebracht wurde. Parallel dazu richtete sich die
Bundeswehr auf Auslandseinsätze im Rahmen des Internationalen Krisenmanagements
aus. Somit standen seit Beginn der 1990er Jahre zwei Ausdrücke auf der
politikwissenschaftlichen und militärischen Agenda, deren begriffliche Füllung
Unklarheiten hinterließ. Während die Begrifflichkeit der neuen Kriege breit
gefächert, politisch und wissenschaftlich umstritten blieb, wurde die des
Einsatzes zunehmend politisch, juristisch und militärisch konkretisiert, ohne
indessen an Mehrdeutigkeit zu verlieren. Die Gewaltereignisse selbst wie die
Beschreibungssemantiken waren vielfältig, fluide und perspektivgebunden.
von Martin Hofbauer und Martin Rink ( https://doi.org/10.1515/mgzs-2025-0054 )
Auf dem Weg zur "Armee im Einsatz". Die Entsendung der Bundeswehr nach
Kambodscha, 1991/92
Seit 1959 wird die Bundeswehr zur humanitären Hilfe im Ausland genutzt. Das
erste Mal im Rahmen einer Mission der Vereinten Nationen beteiligt war sie
allerdings erst Anfang der 1990er Jahre in Kambodscha. Zwischen 1991 und 1993
nahmen hier in der Spitze rund 150 Angehörige des Sanitätsdienstes der
Bundeswehr an zwei aufeinanderfolgenden Missionen teil. Aus
politisch-rechtlichen Gründen taten sich die Bundesressorts jedoch schwer, die
Engagements als "Auslandseinsatz" und als Teilnahme an einer VN-Mission zu
bezeichnen. Offiziell war es für sie nur ein "humanitärer Einsatz", der in
Kontinuität zu früheren Maßnahmen stand und lediglich die Unterstützung und
keine Teilnahme an einer VN-Mission darstellte. Rückblickend erschwert diese
Doppeldeutigkeit die trennscharfe Nutzung des Quellenbegriffs "Einsatz" und
somit eine klare Periodisierung der "Ära der großen militärischen
Auslandseinsätze". Die in Kambodscha eingesetzten Kräfte verstanden ihren
Auftrag auch zum Teil falsch und behandelten gegenläufig zu ihrer eigentlichen
Aufgabe im großen Stil kambodschanische Zivilisten. Aus diesem Grund wären sie
fast wieder von den Vereinten Nationen aus der Mission abgezogen worden.
von Torsten Konopka ( https://doi.org/10.1515/mgzs-2025-0055 )
Dokumentationen
"Operative Überlegungen zur konventionellen Rüstungskontrolle". Eine
Dokumentation zum KSE-Prozess 1987 bis 1990
Die hier vorgestellte Quelle bietet Einblicke in konkrete Vorstellungen und
Rahmenbedingungen militärisch operativer Überlegungen während der
Rüstungskontrollverhandlungen der Jahre 1987 bis 1989. Das Dokument öffnet damit
ein Fenster in die Vorgeschichte der Umbruchszeit von 1989/90, reißt
Aushandlungsprozesse auf NATONorth Atlantic Treaty Organization-Ebene an und
damit den bundesdeutschen Versuch, militärische Fachlichkeit in politische
Einflussnahme zur Wahrung bundesdeutscher Interessen umzumünzen. Ferner zeigt es
sowohl das fortbestehende Misstrauen der militärischen Führung der Bundeswehr
gegenüber der Sowjetunion und verweist auf die partei- und
gesellschaftspolitische Auseinandersetzung um sicherheits- und
verteidigungspolitische Ordnungsvorstellungen der 1980er Jahre. Diese formative
Phase der Sicherheits- und Verteidigungspolitik der Bundesrepublik Deutschland
ist von herausragendem Interesse für eine Militärgeschichtsschreibung, die sich
am Wechselspiel von Militär und Politik des vereinten Deutschland ausrichtet.
von Thorsten Loch und Martin Reese ( https://doi.org/10.1515/mgzs-2025-0056 )
Der Erfahrungsbericht des 1. Deutschen Einsatzkontigentes ISAF. Eine
Quellenedition
Die Anfang 2025 vorgelegten Ergebnisse der parlamentarischen Aufarbeitung des
deutschen Afghanistan-Engagements haben die These von Philipp Münch von der
Strategielosigkeit Deutschlands bestätigt. Da die bisherigen wissenschaftlichen
Studien in erster Linie auf offenen Quellen, Memoirenliteratur sowie
Zeitzeugenberichten fußten, gilt es, den Einsatz der Bundeswehr am Hindukusch
nach über 20 Jahren anhand von Archivquellen zu erforschen. Hierfür bieten die
wenigen bereits offengelegten Quellen den ersten Einstieg. Ein solches
Schlüsseldokument ist der Erfahrungsbericht des 1. Deutschen Einsatzkontingentes
ISAF aus dem Jahre 2002. Auf rund zwanzig Textseiten werden sowohl positive als
auch negative Erfahrungen aus der Anfangszeit thematisiert und Empfehlungen für
die Folgekontingente formuliert. In der Bewertung der Quelle stellt sich die
Frage, inwieweit sich dieses strategische Scheitern schon im ersten
Erfahrungsbericht widerspiegelt. Die edierte Fassung des Berichtes gibt erste
Antworten, reißt aber auch weitere Themenfelder an, die mit dieser und anderen
Quellen künftig erforscht werden können.
von Helmut R. Hammerich ( https://doi.org/10.1515/mgzs-2025-0057 )
Zur Diskussion
Militärgeschichte als Geschichtsschreibung für die Gegenwart? Vom Nutzen und
Nachteil präsentistischer Ansätze - betreut und eingeleitet von Dorothee
Hochstetter
Präsentismus in der Militärgeschichtsschreibung - Chancen und Grenzen am
Beispiel der Gewalt gegen zivile Feindstaatenangehörige im Ersten Weltkrieg
Der Gegenwartsbezug hat die neuere militärgeschichtliche Forschung kräftig
inspiriert und vorangetrieben. Wie in diesem Beitrag dargelegt wird, müssen aber
einfache Analogien zwischen Konstellationen und Kontexten in Gegenwart und
Vergangenheit vermieden werden. Zudem sollten Begriffe und Konzepte, die - wie
"Menschenrechte" und "Zivilgesellschaft" - aktuellen wissenschaftlichen
Diskussionen entnommen werden, reflektiert und expliziert werden. Chancen und
Grenzen des historischen Präsentismus werden hier anhand der Internierung
ziviler Feindstaatenangehörigen im Ersten Weltkrieg demonstriert.
von Arnd Bauerkämper ( https://doi.org/10.1515/mgzs-2025-0059 )
Präsentismus und Lessons Learnt in der Geschichte von Krieg und Friede n
"Das Einzige, was wir aus der Geschichte lernen, ist, dass wir nichts aus der
Geschichte lernen." Hegels oft zitierte Äußerung besagt aber nicht, dass aus der
Geschichte nichts zu lernen wäre. Im Gegenteil, das Studium der Geschichte wäre
nur ein fruchtloser Zeitvertreib, ähnlich einem Computerspiel, wenn wir nicht
versuchten, an die Vergangenheit gegenwartsrelevante Fragen zu stellen.
von Beatrice Heuser ( https://doi.org/10.1515/mgzs-2025-0060)
(https://doi.org/10.1515/mgzs-2025-0060)
Die MGZ
Die Militärgeschichtlichen Zeitschrift (https://zms.bundeswehr.de/de/publikation
en-ueberblick/zmsbw-kanal-publikationen-zeitschriften/militaergeschichtliche-zei
tschrift) (MGZ) ist eine der führenden deutschsprachigen wissenschaftlichen
Publikationen im Bereich der Militärgeschichte und bietet in jeder Ausgabe
Aufsätze und Beiträge zur aktuellen Forschung sowie Rezensionen zur Literatur
aus der Militärgeschichte und aus anderen relevanten Forschungsbereichen. Die
MGZ wird vom Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der
Bundeswehr (ZMSBw) in Potsdam herausgegeben und erscheint halbjährlich bei De
Gruyter Oldenbourg.
Das Inhaltsverzeichnis dieser wie auch aller bisherigen Ausgaben der MGZ finden
Sie auf der Website des Verlages De Gruyter
(https://www.degruyter.com/journal/key/mgzs/html?lang=de) .
Weitere Informationen finden Sie auf unserer Webseite (https://zms.bundeswehr.de
/de/publikationen-ueberblick/publikationen-zeitschrift-mgz-2025-84-2-6043292) .
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OTS: Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bu
ndeswehr
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