Berlin (ots) - EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat in ihrer
ersten Rede zur Lage der Union (SOTEU) ihrer zweiten Amtszeit mit Blick auf die
globale Krise zu Geschlossenheit und einem gemeinsamen Kampf Europas aufgerufen.
" Einen Kampf für unsere Werte und unsere Demokratien. Einen Kampf für unsere
Freiheit und dafür, dass wir selbst über unser Schicksal bestimmen können ",
sagte von der Leyen vor dem Europäischen Parlament. " Deshalb trete ich heute
für Geschlossenheit ein. Geschlossenheit der Mitgliedstaaten untereinander.
Geschlossenheit der EU-Institutionen ." Dies müsse der Moment der europäischen
Unabhängigkeit sein. Europa müsse fähig sein, seine Verteidigung und Sicherheit
selbst in die Hand zu nehmen und Kontrolle haben über Technologien und
Energieträger, die seine Volkswirtschaften antreiben.
Russland soll für seinen Krieg bezahlen
Mit Blick auf die russische Invasion in die Ukraine schlug die
Kommissionspräsidentin einen neuen Ansatz vor: " Dies ist Russlands Krieg. Und
Russland sollte dafür bezahlen. Deshalb müssen wir dringend an einer neuen
Lösung arbeiten, um auf Grundlage der eingefrorenen russischen Vermögenswerte
die ukrainischen Kriegsanstrengungen zu finanzieren . Auf Basis der liquiden
Anteile könnten wir der Ukraine ein Reparationsdarlehen gewähren. Die
Vermögenswerte selbst bleiben unberührt. Und das Risiko wird gemeinsam getragen.
Die Ukraine wird das Darlehen erst zurückzahlen, wenn Russland
Reparationszahlungen leistet. "
Von der Leyen kündigte zudem eine neues Programm Qualitative Military Edge an.
Es soll Investitionen in die Fähigkeiten der ukrainischen Streitkräfte
unterstützen. "Wir können die Stärke unserer Industrie nutzen, um die Ukraine
bei der Abwehr des Drohnenkriegs zu unterstützen. Wir können dazu beitragen,
ukrainischen Erfindergeist zum Vorteil in den Kampfgebieten werden zu lassen -
und zu einer gemeinsamen Produktion. Deshalb kann ich auch ankündigen, dass
Europa 6 Milliarden Euro aus dem ERA-Darlehen vorziehen und eine Drohnen-Allianz
mit der Ukraine eingehen wird. Die Ukraine verfügt über den Erfindergeist. Aber
was jetzt gefragt ist, ist die Fähigkeit zu Skalieren. Zusammen können wir das
ermöglichen. Damit die Ukraine ihren Vorsprung behält und Europa seinen eigenen
Vorsprung stärkt" , so von der Leyen.
In ihrer Rede erinnerte die Kommissionspräsidentin auch an das Schicksal der
ukrainischen Kinder und betonte: "Wir müssen alles in unserer Macht Stehende
tun, um den ukrainischen Kindern zu helfen. Deshalb kündige ich an, dass ich
gemeinsam mit der Ukraine und weiteren Partnern einen Gipfel der Internationalen
Koalition für die Rückkehr ukrainischer Kinder organisieren werde. Jedes
entführte Kind muss zurückgebracht werden."
Volle Solidarität mit Polen - Länder im europäischen Osten schützen ganz Europa
Die Kommissionspräsidentin sicherte Polen mit Blick auf die Verletzung des
polnischen und europäischen Luftraums durch mehr als zehn russische Drohnen
volle Solidarität zu und erklärte: " Putins Botschaft ist klar. Und wir müssen
eine klare Antwort geben. Wir brauchen mehr Druck auf Russland, damit das Land
an den Verhandlungstisch kommt. "
Von der Leyen sagte weiter: " Ohne jeden Zweifel kann man sagen: Die Länder im
europäischen Osten schützen ganz Europa. Von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer.
Deshalb müssen wir investieren, um diese Länder mit einer Eastern Flank Watch zu
unterstützen. Das bedeutet, dass wir Europa mit unabhängigen strategischen
Fähigkeiten ausstatten müssen. Wir müssen in weltraumraumgestützte
Echtzeit-Überwachung investieren, damit keine Truppenbewegung unbemerkt bleibt.
Wir müssen den Appellen unserer baltischen Freunde nachkommen und den
Drohnenwall errichten. Das sind keine abstrakten Pläne. Das ist die Grundlage
einer glaubwürdigen Verteidigung. " Europa werde jeden Quadratzentimeter seines
Territoriums verteidigen , so die Kommissionspräsidentin.
Inakzeptable Situation in Gaza: Aussetzung der bilateralen Unterstützung für
Israel und Sanktionen angekündigt
Zur Lage in Gaza bekräftigte von der Leyen, eine menschengemachte Hungersnot
dürfe niemals als Kriegswaffe dienen. Was in Gaza geschehe, sei inakzeptabel.
Europa könne sich keine Lähmung leisten, deshalb werde die
Kommissionspräsidentin ein Maßnahmenpaket vorschlagen: "Erstens: Die Kommission
wird alles in ihrer Macht Stehende selbst tun. Wir werden unsere bilaterale
Unterstützung für Israel aussetzen . Wir werden alle Zahlungen in diesen
Gebieten stoppen - ohne dass sich dies auf unsere Arbeit mit der israelischen
Zivilgesellschaft oder Yad Vashem auswirkt. Zweitens: Wir werden dem Rat zwei
weitere Vorschläge unterbreiten. Wir werden Sanktionen gegen die extremistischen
Minister und gegen gewalttätige Siedler vorschlagen. Und wir werden auch eine
teilweise Aussetzung des Assoziierungsabkommens im Bereich des Handels
vorschlagen. Mir ist bewusst, dass es schwierig werden wird, Mehrheiten dafür zu
finden. Und ich weiß, dass jede dieser Maßnahmen für manche zu weit geht und für
andere nicht weit genug. Doch wir alle müssen unserer Verantwortung gerecht
werden - Parlament, Rat und Kommission. Drittens: Wir werden nächsten Monat eine
Gebergruppe für Palästina ins Leben rufen und dabei auch ein Instrument für den
Wiederaufbau des Gazastreifens schaffen."
Fahrplan für den Binnenmarkt bis 2028 und Förderung von "Made in Europe"
Mit Blick auf die wirtschaftliche Entwicklung in Europa erinnerte von der Leyen
an die Chancen des europäischen Binnenmarktes: " Unser größtes Pfund ist der
Binnenmarkt - doch er ist nach wie vor unvollendet. Die Barrieren sind zu hoch -
nach Schätzungen des IWF entsprechen sie einem Zoll von 45 Prozent bei Gütern.
Und einem Zoll von 110 Prozent bei Dienstleistungen. " Die Kommission werde
deshalb einen Fahrplan für den Binnenmarkt bis 2028 vorlegen.
Die Kommissionspräsidentin kündigte zudem ein Batterie-Booster-Paket an.Damit
werden 1,8 Milliarden Euro bereitgestellt, um die Produktion in Europa zu
fördern. Und bei der Vergabe öffentlicher Aufträge soll künftig das Kriterium "
Made in Europe " gelten.
Pakete für erschwingliche Lebenshaltungskosten
Vor dem Hintergrund der stark angestiegenen Lebenshaltungskosten kündigte von
der Leyen Maßnahmen in vier Bereichen an: Energie, Wohnraum, Autos und
Lebensmittel.
Zu den Energiekosten sagte von der Leyen: " Wir wissen, was die Preise in die
Höhe getrieben hat: die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen aus Russland. Es
ist also an der Zeit, diese schmutzigen russischen fossilen Brennstoffe
loszuwerden. Und wir wissen, wie wir die Preise senken können: mit sauberer
Energie aus heimischen Quellen. Wir müssen selbst mehr erneuerbare Energie
erzeugen - mit Kernenergie für die Grundlast. Aber wir müssen auch dringend
modernisieren und in unsere Infrastruktur und unsere Verbindungsleitungen
investieren. Deshalb werden wir ein neues Netzpaket vorschlagen, um unsere
Netzinfrastruktur zu verbessern und die Genehmigungsverfahren zu beschleunigen.
Außerdem stelle ich heute eine neue Initiative für "Energieautobahnen" vor. Wir
haben acht kritische Engpässe in unserer Energieinfrastruktur identifiziert. Vom
Øresund bis zur Straße von Sizilien. Wir werden nun daran arbeiten, diese
Engpässe nacheinander zu beseitigen. "
Noch in diesem Jahr werde die Kommission zudem den ersten europäischen Plan für
erschwinglichen Wohnraum vorstellen, um Wohnen erschwinglicher, nachhaltiger und
hochwertiger zu machen. " In diesem Sinne werden wir den ersten
EU-Wohnraumgipfel einberufen, damit dieses Thema ganz oben auf unserer Agenda
steht ", so von der Leyen. In Bezug auf bezahlbare Lebensmittel kündigte die
Kommissionspräsidentin an, die Umsetzung der Rechtsvorschriften über unlautere
Handelspraktiken zur überprüfen und das Werbebudget für eine neue Kampagne "Buy
European Food " aufzustocken.
Auch Autos stehen im Fokus der Kommission. Die Kommissionspräsidentin
bekräftigte: "Sie sind eine Säule unserer Wirtschaft und unserer Industrie. Der
Stolz Europas. Millionen Arbeitsplätze hängen davon ab. Anfang des Jahres haben
wir der Industrie mehr Flexibilität eingeräumt, um die Ziele für 2025 zu
erreichen. Das funktioniert. Jetzt bereiten wir die Überprüfung für 2035 vor und
respektieren dabei den Grundsatz der Technologieneutralität . Und Millionen
Menschen in Europa wollen bezahlbare europäische Autos kaufen. Deshalb sollten
wir auch in kleine, bezahlbare Fahrzeuge investieren. Sowohl für den
europäischen Markt als auch zur Deckung der steigenden weltweiten Nachfrage.
Deshalb werden wir vorschlagen, mit der Industrie an einer neuen Initiative für
kleine, bezahlbare Autos zu arbeiten. Ich denke, Europa sollte ein eigenes
E-Auto auf den Markt bringen ." Die Zukunft der Autos müsse in Europa
geschrieben werden - und die Autos der Zukunft müssen in Europa hergestellt
werden, so von der Leyen weiter.
Freie Presse ist das Rückgrat jeder Demokratie
Abschließend kündigte die Kommissionspräsidentin an, mehr zum Schutz der
unabhängigen Presse in Europa zu tun. Dazu gehören ein neues Programm für
Medienresilienz zur Unterstützung des unabhängigen Journalismus und der
Medienkompetenz, denn "eine freie Presse ist das Rückgrat jeder Demokratie. Und
wir werden die europäische Presse unterstützen, frei zu bleiben", so von der
Leyen. Zum Kampf gegen Informationsmanipulation und Desinformation soll zudem
ein neues Europäisches Zentrum für demokratische Resilienz eingerichtet werden.
Weitere Informationen:
Rede zur Lage der Union 2025 auf Deutsch
(https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/speech_25_2053)
Website zur Lage der Union 2025 (https://commission.europa.eu/strategy-and-polic
y/state-union/state-union-2025_de)
"Lage der Union 2025 - Vom Versprechen zum Fortschritt: erstes Amtsjahr"
(https://commission.europa.eu/document/063b9179-036b-43c1-be52-416e9437a08a_de)
Pressekontakt:
Vertretung der Europäischen Kommission in Deutschland
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