Berlin (ots) - Am 20. September ist Weltkindertag - ein Anlass, der bundesweit
in über 400 Städten und Gemeinden gefeiert wird und in diesem Jahr unter dem
Motto "Kinderrechte - Bausteine für Demokratie" steht. Doch wie gelingt es, das
Thema Demokratie bereits mit Kindern im Kita- und Grundschulalter altersgerecht
aufzugreifen? Mariel Wille, Diplom-Pädagogin und Projektleiterin bei der
Stiftung Kinder forschen, beantwortet wichtige Fragen und gibt Tipps für
Erzieherinnen, Erzieher, Lehrkräfte und Eltern.
Frage: Frau Wille, können schon Kinder im Kita- und Grundschulalter Demokratie
lernen?
Mariel Wille : Natürlich! Demokratie bestimmt unser Zusammenleben. Das gilt auch
für die Kita, die Grundschule oder die Familie. Kinder können bei vielen
Prozessen miteinbezogen werden. Was essen wir heute? Was wollen wir am
Wochenende machen? Schon in diesen alltäglichen Entscheidungen können Kinder
lernen, ihre Meinung zu äußern, anderen zuzuhören und gemeinsame Lösungen zu
finden. Je älter Mädchen und Jungen werden, desto mehr Verantwortung können sie
übernehmen. Damit das Bewusstsein, dass die eigene Stimmt zählt, wachsen kann,
ist es wichtig, Kinder möglichst früh in Entscheidungen miteinzubeziehen. Und
vor allem auch zu reflektieren: Können die Kinder an dieser Stelle echte
Entscheidungen treffen? Oder will ich nur Meinungen hören und muss dann selbst
entscheiden? Das ist auch in Ordnung und kommt im Alltag oft vor. Wichtig ist
nur, die Kinder nicht zu enttäuschen. Wenn sie einbezogen werden, sollte damit
auch etwas passieren.
Frage: Welche Rolle spielen Kitas, Schulen und Familien in der
Demokratieförderung?
Mariel Wille : Kitas, Schulen und die Familie sind für Kinder die Orte, an denen
sie erste Erfahrungen mit Demokratie machen können. Das geht bei der
Mitbestimmung von Materialen und der Gestaltung des Mittag- oder Abendessens
los. Echte Beteiligung nach Artikel 12 der UN-Kinderrechtskonvention geht aber
noch einen Schritt weiter: Gemeinsam mit Kindern Regeln aushandeln und Raum für
die Stimmen und Ideen der Mädchen und Jungen schaffen - sei es im Kita-, Schul-
oder Familienalltag oder im Rahmen von Projekten. Dadurch muss aber kein Druck
entstehen. Vielmehr geht es darum, sich überhaupt auf den Weg zu machen.
Feststeht: Wenn eine Kita, Grundschule oder Familie demokratische und
partizipative Strukturen etabliert, ist das eine Erfahrung, die bleibt. Sie
sorgt dafür, dass Kinder auch in Zukunft eher handeln und für die eigenen Werte
aktiv werden.
Frage: Welche praktischen Tipps haben Sie für pädagogische Fach- und Lehrkräfte
sowie Eltern?
Mariel Wille : Wenn man das Demokratiebewusstsein der Kinder fördern möchte, ist
es hilfreich, sich vorher Gedanken über die eigene Rolle zu machen. Denn das
nimmt immer auch Einfluss auf die Haltung gegenüber Kindern: Welche Formen von
Beteiligung habe ich selbst in meiner Kindheit erlebt? Wobei hatte ich eine
Stimme, wo nicht? Hätte ich mir mehr Mitbestimmung gewünscht?
Lassen wir es zu, tauchen im Alltag mit Kindern viele Gelegenheiten auf,
Demokratie zu leben. Das geht bei einfachen Abstimmungen los: Soll es auf den
Spielplatz gehen oder in den Wald? Welches Buch möchte die Klasse als nächstes
lesen und wer trifft hier überhaupt die Auswahl? Dadurch werden die Kinder zum
Entscheiden angeregt und hinterfragen: Ist der Wunsch der Mehrheit wichtiger als
die Bedürfnisse der Minderheit? Um darüber zu sprechen, kann ein Kinderparlament
oder ein Familienrat eingerichtet werden. So werden immer alle Meinungen gehört
und regelmäßig ausdiskutiert.
Zur Forschungsidee: Wer darf mitbestimmen? (https://www.stiftung-kinder-forschen
.de/praxisanregungen/experimente-fuer-kinder/experiment/wer-darf-bestimmen/)
Ein weiterer Ansatz kommt aus der Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE). Sie
hat das Ziel Menschen dazu zu befähigen, eine nachhaltige Zukunft
mitzugestalten. Dazu gehört es, die Auswirkungen des eigenen Handelns auf andere
und auf die Natur zu erkennen und sich so zu verhalten, dass möglichst niemand
benachteiligt wird. Alltagsnahe Themen können dafür ein guter Anlass sein, um
mit Kindern Fragen der Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit zu behandeln. Nehmen wir
als Beispiel einmal sauberes Trinkwasser. Es ist für Kinder in der Kita, Schule
und zu Hause immer verfügbar, ob zum Trinken oder Händewaschen. Um die Mädchen
und Jungen für ihren Wasserverbrauch zu sensibilisieren können sie einen Test
durchführen und einen Tag lang nur eine Wasserquelle in der Einrichtung oder zu
Hause nutzen. Dabei erleben die Kinder selbst, wie sie Wasser sparsam und fair
einsetzen können und setzen sich mit einer nachhaltigen Zukunft auseinander, an
der sie aktiv mitwirken können.
Zur Forschungsidee: Nur ein Wasserhahn für alle (https://www.stiftung-kinder-for
schen.de/praxisanregungen/experimente-fuer-kinder/experiment/nur-eine-wasserstel
le-fuer-alle-kinder-bne/)
Über Mariel Wille
Mariel Wille ist Diplom-Pädagogin und Systemische Beraterin (DGSF). Sie arbeitet
seit 2013 bei der Stiftung Kinder forschen in Berlin und leitet dort aktuell das
Projekt Bildung für nachhaltige Entwicklung.
Pressekontakt:
Stiftung Kinder forschen
Katharina Hanraths
Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Rungestr. 18
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Tel 030 23 59 40 -207
mailto:presse@stiftung-kinder-forschen.de
http://www.stiftung-kinder-forschen.de
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