Osnabrück/Berlin (ots) - Vor dem Brandenburger Tor werden heute Organisationen
der Zivilgesellschaft, von denen viele in Kriegs- und Konfliktgebieten arbeiten,
gegen den Ausstieg von Staaten aus den Verträgen zum Verbot von
Antipersonenminen und Streumunition und für ein universelles Verbot dieser
Waffen protestieren. Am 18. September jährt sich die Verabschiedung der
Ottawa-Konvention, die den Einsatz, die Lagerung, die Produktion und den
Transfer von Antipersonenminen verbieten. Die Konvention gilt als Meilenstein
der humanitären Abrüstung und wurde bisher von über 160 Staaten unterzeichnet,
darunter Deutschland. Gleiches gilt für die Oslo-Konvention zum Verbot von
Streumunition mit über 120 Unterzeichnerstaaten. Streumunition verteilt
großflächig bis zu mehrere hundert Sprengsätze, von denen viele nicht
explodieren und dann wie Minen wirken. Beide Völkerrechtsverträge stehen für die
Einsicht einer überwältigenden Mehrheit von Ländern, dass diese Waffen keine
Sicherheit, sondern dauerhaft Leid schaffen. Antipersonenminen und Streumunition
sind völkerrechtlich geächtet, weil sie unterschiedslos wirken und rund 85
Prozent ihrer Opfer Zivilist*innen sind, darunter viele Kinder.
In Europa droht jetzt ein großer Rückschritt: Als Reaktion auf den russischen
Einsatz von Antipersonenminen im völkerrechtswidrigen Krieg gegen die Ukraine
haben mit Estland, Lettland, Litauen, Finnland und Polen derzeit mehrere Staaten
mit Grenzen zur Russischen Föderation oder zu Belarus den Austritt aus der
Ottawa-Konvention erklärt. Die Ukraine hat die Umsetzung ausgesetzt. Litauen ist
zudem bereits aus der Oslo-Konvention ausgetreten.
"Der geplante Ausstieg mehrerer europäischer Staaten aus dem Verbot von
Antipersonenminen und Streumunition ist ein fataler Rückschritt und eine Gefahr
für die Zivilbevölkerung in Konfliktgebieten - nicht nur während der
Kampfhandlungen, sondern auch noch Jahrzehnte später", warnt Ralf Willinger,
Experte für Kinder in bewaffneten Konflikten und Friedenskultur bei der
Kinderrechtsorganisation Terre des Hommes. "Etwa 40 Prozent der Opfer von Minen
und Streumunition sind Kinder, die oft arglos mit ihnen spielen und dann getötet
oder verstümmelt werden. Die beiden Verträge zum Verbot dieser heimtückischen
Waffen sind Meilensteine des Völkerrechts, die schon unzählige Menschenleben
gerettet haben."
"Seit dem Inkrafttreten der Ottawa-Konvention 1999 haben insgesamt 30
Vertragsstaaten die Räumung aller Antipersonenminen in ihrem Hoheitsgebiet
abgeschlossen. Wir sehen in vielen betroffenen Ländern, wie täglich Lebensraum
zurückgewonnen wird. Diese lebensrettende Konvention ist die Grundlage für
solchen Fortschritt und darf nicht geschwächt werden", betont Eva Maria Fischer
von Handicap International Deutschland.
Auch die Rolle Deutschlands sorgt für Kritik. Trotz seiner zentralen Beteiligung
am Zustandekommen der beiden Konventionen hält sich die Bundesregierung mit
öffentlicher Kritik an den angekündigten Ausstiegen ihrer europäischen Partner
zurück. "Wer jetzt schweigt, riskiert, dass jahrzehntelange Erfolge der
humanitären Abrüstung bröckeln", mahnt Yannick Kiesel, Referent für
Friedenspolitik der DFG-VK. "Deutschland muss deutlich aktiver für die
Einhaltung und Universalisierung dieser Verträge eintreten - auch um doppelte
Standards in der EU zu verhindern."
Die Forderungen:
- Alle europäischen Staaten müssen in den lebensrettenden Verträgen zum Verbot
von Antipersonenminen und Streumunition verbleiben.
- Deutschland muss seine diplomatische Stimme und seinen politischen Einfluss
nutzen, um den Ausstieg von Staaten zu verhindern und weitere Unterzeichner zu
gewinnen.
- Humanitäre Abrüstungsbemühungen müssen weltweit gestärkt statt geschwächt
werden.
"Sicherheit wird nicht durch Antipersonenminen oder Streumunition geschaffen,
sondern durch deren Ächtung", betont Mathias John, Rüstungsexperte von Amnesty
International Deutschland. "Nur ein universelles Verbot kann verhindern, dass
diese tödlichen Waffen erneut flächendeckend eingesetzt werden und
Menschenrechte bedrohen."
Fotos der Aktion (auch zur Verwendung für die Berichterstattung) werden ab 13:30
Uhr hier zu sehen sein: https://www.flickr.com/photos/ippnw
Pressekontakt:
Kontakte für Interviews:
Ralf Willinger, Terre des Hommes Deutschland, r.willinger@tdh.de,
*49(0)163-7535199
Dr. Mathias John, Amnesty International Deutschland,
mathias.john@amnesty-wirtschaft-ruestung.de
Dr. Eva Maria Fischer, Handicap International Deutschland, e.fischer@hi.org,
+49 (0)176 99 28 41 35
Weiteres Material: http://presseportal.de/pm/9646/6118585
OTS: Terre des Hommes Deutschland e.V.
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