Köln (ots) - Einseitig mit Ängsten der Menschen Politik zu machen, ist
Populismus und somit abzulehnen. Ängste der Menschen jedoch zu ignorieren ist
keine verantwortungsvolle Politik. Der Grat zwischen diesen beiden Polen ist
schmal, und man hat zunehmend den Eindruck, dass in schwierigen Zeiten die
differenzierte Betrachtung ins Hintertreffen gerät. Nach einer aktuellen Studie
belegt die Furcht vor steigenden Lebenshaltungskosten den ersten Platz aller
Sorgen in der deutschen Bevölkerung. Nicht etwa die Gefährdung der Demokratie,
der Klimawandel oder ein Krieg wühlen uns in der Mehrheit am meisten auf,
sondern eben die Befürchtung, dass einzelne sozial abstürzen könnten.
Wenn Bundeskanzler Friedrich Merz dann zum wiederholten Male "tiefgreifende
Reformen" ankündigt und dabei vor allem den Sozialbereich meint, ist das für
viele gedanklich schwer zu verdauen. Um kein Missverständnis aufkommen zu
lassen: Natürlich gibt es Reformbedarf bei Rente oder Gesundheitssystem. Es
müssen aber endlich klare Konzepte auf den Tisch, um sie differenziert
debattieren zu können. Alles andere gehört in die politische Schublade des
Populismus. Und bei aller Kritik dürfte sicher sein, dass Kanzler Merz darin
nicht wühlt.
Wohin unklare Strategien und ungeordnete Kommunikation führen können, zeigt
derzeit das Beispiel Frankreich. Dort sind es die Gewerkschaften, die zu
Massenprotesten aufgerufen haben, und bedauerlicherweise verlaufen diese nicht
immer friedlich. Was aber passiert, wenn radikale politische Kräfte die Stimmung
populistisch aufladen und ausnutzen und auch hierzulande zu massenweisen
Protesten motivieren?
Immerhin attestiert die aktuelle Studie "Die Ängste der Deutschen" einen
leichten Vertrauensgewinn in die deutsche Politik. Im Vorjahr waren es noch 49
Prozent der Menschen, die unsere Volksvertreter für überfordert hielten, jetzt
sind es nur noch 42 Prozent. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung.
Mit einer differenzierteren Debattenkultur lässt sich dieser Weg konsequent
weiter beschreiben. In schwierigen Zeiten muss das "Wir" in den Mittelpunkt
gerückt werden, und es muss endlich eine verantwortungsvolle und konstruktive
Debatte darüber starten, wie und von wem die zunehmenden finanziellen Lasten
gestemmt werden. Eine populistische Instrumentalisierung von Ängsten wäre das
Gegenteil. Das sollte auch Bundeskanzler Merz bewusst sein.
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