Hamburg (ots) - Die Stiftung Familienunternehmen will sich ihrem
Selbstverständnis nach um die Belange aller Familienunternehmen kümmern.
Recherchen des ARD-Magazins "Panorama" (NDR) zeigen jetzt, dass hinter dem
Begriff "Familienunternehmen" in erster Linie Großkonzerne und superreiche
Familien stehen. So haben Rossmann, eine der größten Drogeriemarkt-Ketten
Europas, Deichmann, Europas größter Schuhhändler, sowie die Würth-Gruppe,
weltweiter Marktführer für Montage- und Befestigungsmaterial, ihre Förderschaft
gegenüber "Panorama" erstmals bestätigt. Auch Bertelsmann, Europas größter
Medienkonzern, räumt ein, die Stiftung zu fördern.
Der mit Abstand größte Konzern unter den nun erstmals bekannten Förderern ist
die Schwarz-Gruppe, zu der unter anderem Lidl und Kaufland gehören. Sie zählt zu
den größten Einzelhändlern der Welt und erwirtschaftete im vergangenen Jahr mit
175 Milliarden Euro den höchsten Umsatz im europäischen Einzelhandel. Eine
Sprecherin der Schwarz-Gruppe bestätigt gegenüber "Panorama", dass die
Unternehmen der Schwarz Gruppe die "Stiftung Familienunternehmen" fördern. David
Deißner, Geschäftsführer der "Stiftung Familienunternehmen", möchte sich zu
einzelnen Namen nicht äußern, betont aber mit Verweis auf das
Stiftungskuratorium: "Es ist nicht so, dass wir nur die Interessen der großen
Familienunternehmen vertreten würden und kleinere und mittlere Unternehmen
irgendwie in Sippenhaft nehmen."
Hinter der Stiftung stehen offenbar vor allem Großunternehmen und Konzerne
Eine Datenanalyse von "Panorama" zeigt, dass solche Großkonzerne im Netzwerk der
"Stiftung Familienunternehmen" keine Einzelfälle sind. Nach eigener Angabe zählt
die Stiftung insgesamt 600 Förderer. Auf Grundlage interner Dokumente und
Anfragen an hunderte Unternehmen erstellte "Panorama" eine Liste von 123 Firmen,
die ihre Förderschaft bestätigt haben oder bei denen es gravierende Hinweise auf
eine Unterstützung gibt und die dies nicht dementiert haben. Lediglich zwei
Firmen auf dieser Liste sind kleine und mittlere Unternehmen (KMU), also Firmen
mit einem Jahresumsatz von weniger als 50 Millionen Euro.
"Mitglieder" im formalen Sinn hat die Stiftung nicht. Die Namen der Förderer
gibt sie nicht bekannt. Zur Begründung sagt Geschäftsführer David Deißner in
"Panorama": "Es ist so, dass wir nicht die gesamte Förderer-Community öffentlich
machen können. Das dürfen wir nicht, das sind auch datenschutzrechtliche
Fragen."
Greenpeace: Stiftung repräsentiert überwiegend Superreiche aus klimaschädlichen
Branchen
"Panorama" nutzte unter anderem Informationen, die Greenpeace zugespielt worden
waren. Die Redaktion überprüfte diese unabhängig und zog weitere Quellen hinzu.
Die Umweltorganisation fand in einer eigenen Recherche zum größeren Netzwerk der
"Stiftung Familienunternehmen" und der damit verbundenen "Stiftung
Familienunternehmen und Politik" 258 Unternehmen - und analysierte deren
Klimaschädlichkeit.
Während Greenpeace also das weitere Netzwerk der Stiftung untersuchte - etwa
Personen, Familien und Unternehmen, die im direkten und indirekten Kontakt mit
der Stiftung stehen -, nahm "Panorama" nur deren Kern, also die Förderstruktur,
in den Blick.
Betreibt die Stiftung Familienunternehmen einen Etikettenschwindel?
Der "Stiftung Familienunternehmen" wird seit Langem vorgeworfen, sich nicht um
die Belange aller Familienunternehmen zu kümmern, wie es ihrem Selbstverständnis
entspricht, sondern in erster Linie die Interessen von Superreichen und
Konzernen zu vertreten - und dabei vom mittelständischen Image von
Familienunternehmen zu profitieren. NGOs wie Finanzwende, Lobbycontrol und das
Netzwerk Steuergerechtigkeit äußerten diesen Vorwurf bereits früher, ohne jedoch
die hier recherchierten Namen zu kennen.
Zentrale Themen: Erbschaftssteuer
Die Stiftung setzte sich in der Vergangenheit etwa beim Thema Erbschaftsteuer
besonders für eine Ausnahmeregelung auch für große Erbschaften ein. Dank dieser
sogenannten "Verschonungsbedarfsprüfung" können große Erbschaften von über 26
Millionen Euro bei geschickter Gestaltung weitgehend steuerfrei bleiben.
Die "Stiftung Familienunternehmen" wurde 2002 von Brun-Hagen Hennerkes
gegründet. Jährlich lädt die "Stiftung Familienunternehmen" bzw. die "Stiftung
Familienunternehmen und Politik" zum "Tag des Familienunternehmens" ein, zuletzt
im Mai ins Hotel Adlon. Dort sprach unter anderem CDU-Wirtschaftsministerin
Katharina Reiche. 2021 entstand zusätzlich die "Stiftung Familienunternehmen und
Politik", die im Lobbyregister geführt wird und nicht gemeinnützig ist - anders
als die ursprüngliche Stiftung.
Sendehinweis: "Panorama", Donnerstag, 25. September um 21.45 Uhr im Ersten
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