Nürnberg (ots) -
- iff-Report 2025 beleuchtet Ursachen und Schuldensituation der Ratsuchenden von
Schuldnerberatungsstellen
- Nur einer der sechs häufigsten Gründe für Überschuldung gilt als vermeidbar
- Menschen ohne Schulabschluss und Alleinerziehende haben ein besonderes Risiko
von Überschuldung betroffen zu sein.
Gesundheitliche Probleme durch Krankheiten, Sucht oder Unfälle waren im Jahr
2024 zum zweiten Mal in Folge der häufigste Grund für Überschuldung in
Deutschland. Bei 17,6 Prozent der Personen, die eine Schuldnerberatungsstelle
aufsuchten, wurde dies als Ursache für die finanzielle Lage genannt. Auf den
Plätzen zwei und drei folgen Arbeitslosigkeit oder reduzierte Erwerbsarbeit mit
15,3 Prozent sowie Scheidung oder Trennung mit 9,1 Prozent. Insgesamt machen
diese ereignisbezogenen Faktoren rund 42 Prozent der Überschuldungsgründe aus.
Diese Zahlen verdeutlichen, dass Überschuldung in vielen Fällen auf Lebenskrisen
zurückzuführen ist, die außerhalb der individuellen Kontrolle liegen und mit
erheblichen sozialen und psychischen Belastungen einhergehen. Das sind
Ergebnisse des iff-Überschuldungsreports 2025, den das institut für
finanzdienstleistungen e.V. (iff) jährlich herausgibt und von "Deutschland im
Plus - die Stiftung für private Überschuldungsprävention" gefördert wird. Die
aktuelle Auswertung basiert auf den Daten von 213.102 Haushalten, bei denen die
Schuldnerberatung zwischen 2013 und 2024 begann.
Neben Schicksalsschlägen wie Krankheit, Trennung oder Arbeitslosigkeit erhöhen
auch herausfordernde Lebenssituationen - an denen die Betroffenen so schnell
nichts ändern können - das Risiko einer Überschuldung. Dazu gehören vor allem
Einkommensarmut (zehn Prozent) und eine gescheiterte Selbstständigkeit (neun
Prozent). Eine vermeidbare Ursache ist hingegen das Konsumverhalten mit 9,7
Prozent. Zusammen verursachen diese sechs häufigsten Gründe in 71 Prozent der
Beratungsfälle eine Überschuldung.
"Die Daten des Überschuldungsreports sprechen eine deutliche Sprache:
Überschuldung entsteht nur selten durch individuelles Fehlverhalten", sagt
Philipp Blomeyer, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Deutschland im Plus. "Viel
häufiger sind strukturelle Probleme und persönliche Krisen die Ursache. Diese
Erkenntnis erfordert ein Umdenken in der öffentlichen Wahrnehmung. Anstatt
überschuldete Menschen zu stigmatisieren, brauchen wir soziale Sicherheit,
tragfähige Rahmenbedingungen und einfache Zugänge zu präventiven Hilfen."
Hohe Wohnkosten in den Städten verschärfen das Überschuldungsrisiko
Ein wichtiger Faktor für Überschuldung sind auch die hohen Wohnkosten in vielen
deutschen Städten. Diese belasten die Personen, die eine Schuldnerberatung
aufsuchen, besonders stark. Während sie durchschnittlich 48 Prozent ihres
Haushaltseinkommens für die Wohnkosten aufwenden müssen, sind es in der
Gesamtbevölkerung nur 26 Prozent. Dies erschwert es für die Betroffenen,
Rücklagen zu bilden und liquide zu bleiben.
Menschen ohne Schulabschluss oder mit Hauptschulabschluss nehmen
überdurchschnittlich oft eine Schuldnerberatung in Anspruch. So hatten 18,4
Prozent der Personen, die im Jahr 2024 eine Beratung aufsuchten, keinen
Schulabschluss. Dieser Wert liegt fast viermal höher als ihr Anteil von rund
fünf Prozent an der Gesamtbevölkerung. Ähnlich ist es bei Menschen mit
Hauptschulabschluss. Im Jahr 2024 gehörten 42,1 Prozent der beratenen Personen
zu dieser Gruppe. Das entspricht fast dem Doppelten ihres Anteils an der
Gesamtbevölkerung, der bei 24 Prozent liegt. Umgekehrt ist es bei Personen mit
Abitur. Sie machen nur elf Prozent der Ratsuchenden aus. Ihr Anteil an der
Gesamtbevölkerung liegt jedoch bei 31 Prozent.
Von den verschiedenen Haushaltsformen suchen Alleinlebende am häufigsten eine
Schuldnerberatung auf. Ihr Anteil ist mit 61,7 Prozent dreimal höher als in der
Gesamtbevölkerung. Bei Alleinerziehenden ist der Wert mit 14,5 Prozent sogar
viermal so hoch. Fast 80 Prozent von ihnen sind Frauen. Nur 21,7 Prozent der
beratenen Personen leben in einer Partnerschaft.
"Singles trifft der Anstieg der Lebenshaltungskosten besonders hart", sagt Dr.
Sally Peters, Geschäftsführende Direktorin des instituts für
finanzdienstleistungen Hamburg e. V. "Sie schultern ihre Fixkosten allein - oft
ohne finanziellen Puffer für den Fall von Krankheit oder Jobverlust. Mit Kindern
im Haushalt verschärft sich die Situation zusätzlich. Steigende Fixkosten,
ausbleibende Unterhaltszahlungen und unzuverlässige Kinderbetreuung bringen vor
allem Alleinerziehende finanziell schnell an ihre Grenzen."
Jede fünfte Forderung ist Folge eines Ratenkredits
Im Jahr 2024 lag die durchschnittliche Schuldenhöhe der beratenen Personen bei
14.908 Euro. Dies entspricht einem leichten Rückgang im Vergleich zu den 15.257
Euro des Vorjahres. Bei der Hälfte der Betroffenen verteilt sich die Summe auf
weniger als zehn Gläubiger, bei 29 Prozent sind es sogar weniger als fünf. 24
Prozent haben hingegen Schulden bei mehr als 20 Gläubigern.
"Viele Menschen wenden sich erst an eine Schuldnerberatung, wenn die Situation
bereits unüberschaubar geworden ist", sagt Dr. Peters. Zunächst versuchen sie,
die Probleme allein zu bewältigen, bis ihre Strategien scheitern. Das
gesellschaftliche Stigma der Überschuldung verstärkt die Hemmschwelle
zusätzlich. Gleichzeitig fehlt es Betroffenen oft an Klarheit darüber, welche
Hilfen es gibt, was diese kosten und wie groß der bürokratische Aufwand
tatsächlich ist."
Der größte Teil der Schulden besteht aus Ratenkrediten mit einem Anteil von 20,7
Prozent. Dabei beträgt die durchschnittliche Forderungshöhe 7.170 Euro. Es
folgen Forderungen von öffentlich-rechtlichen Gläubigern und dem Finanzamt mit
17,1 Prozent. Jeweils 9,6 Prozent haben Schulden bei Gewerbetreibenden oder
Telekommunikationsanbietern.
Mit rund 40 Prozent ist die Beantragung eines gerichtlichen Insolvenzverfahrens
der häufigste Abschluss einer Schuldnerberatung. Weitere 19,4 Prozent der
Beratungen werden vorzeitig abgebrochen. Nur in sieben Prozent der Fälle gelingt
eine erfolgreiche Gesamt- oder Teilsanierung außerhalb eines gerichtlichen
Verfahrens.
Unterstützung und Prävention für gefährdete Gruppen
"Es war noch nie so wichtig wie heute, Menschen in finanzieller Not
niedrigschwellige Unterstützung anzubieten", erklärt Philipp Blomeyer,
Vorstandsvorsitzender der Stiftung Deutschland im Plus. Um die Hemmschwelle zur
Inanspruchnahme von Schuldnerberatung zu senken, bietet die Stiftung Deutschland
im Plus in Kooperation mit der Schuldnerhilfe Köln ein leicht zugängliches
Angebot an: eine kostenfreie und anonyme telefonische Erstberatung für Menschen
in finanziellen Schwierigkeiten. Die Telefonnummer der Beratungshotline lautet
0800/5035851 und ist von Dienstag bis Freitag von 10 bis 13 Uhr sowie Dienstag
und Donnerstag von 15 bis 18 Uhr erreichbar. Zudem ist das Angebot online
verfügbar. https://www.deutschland-im-plus.de/hilfebeischulden/beratungsservice/
Der vollständige Bericht ist im Internet unter
http://www.iff-ueberschuldungsreport.de abrufbar.
Über das iff
Das institut für finanzdienstleistungen e.V. (iff) leistet mit Forschung und
Beratung einen wichtigen Beitrag zu einem sozial verantwortlichen Finanzsystem
und einer fairen Teilhabe. Das iff setzt sich seit seiner Gründung für den
Zugang zu Finanzdienstleistungen ein und konzentriert sich vor allem auf
finanziell verletzliche Verbraucher:innen. Auftraggeber sind
Verbraucherorganisationen, Regierungsstellen, Verbände, Stiftungen, politische
Akteure und Finanzdienstleister.
Mehr Informationen unter: http://www.iff-hamburg.de
Stiftung Deutschland im Plus
Die Stiftung Deutschland im Plus engagiert sich für die private
Überschuldungsprävention in Deutschland. Zu den Aufgaben zählen Workshops zur
finanziellen Bildung, Forschungsförderung sowie eine kostenlose und anonyme
Beratung für Menschen in finanzieller Not.
Mehr Informationen unter: http://www.deutschland-im-plus.de
Pressekontakt:
Für den iff-Überschuldungsreport: Dr. Sally Peters Tel: 040 / 3096-9110 und
E-Mail: sally.peters@iff-hamburg.de
Zu den Aktivitäten der Stiftung Deutschland im Plus: Pamela Sendes Tel: 0911 /
9234950 und E-Mail: pamela.sendes@deutschland-im-plus.de
Weiteres Material: http://presseportal.de/pm/71917/6129211
OTS: Deutschland im Plus - Die Stiftung für private Überschuldungs
prävention
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