Berlin und Kassel (ots) - Das von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU)
geförderte Kooperationsprojekt "Wege zum zirkulären Geschäftsmodell" vom Verband
Klimaschutz-Unternehmen und dem Fachgebiet umweltgerechte produkte und prozesse
(upp) der Universität Kassel untersucht Zielkonflikte, Herausforderungen sowie
Lösungsansätze bei der Umstellung auf zirkuläre Geschäftsmodelle.
Eine Umfrage unter den 13 teilnehmenden Unternehmen unterschiedlicher Größe aus
verschiedenen Branchen wie Abfall, Kunststoff, Logistik, Medizin, Metall oder
Textil zeigt, dass zwei Drittel bereits mit zirkulären Geschäftsmodellen
arbeiten und mehr als recyceln. Fast alle sehen bei Recycling aber noch mehr
Potenzial. Ein Drittel hat Reparaturmodelle. Oder sie bereiten Produkte wieder
auf, nutzen sie oder einzelne Komponenten wieder. Potenzial sehen sie auch
darin, Produkte über die gesamten Lebenszyklen neu zu denken oder neue
Geschäftsmodelle zu entwickeln, weniger Ressourcen einzusetzen oder
funktionierende Komponenten für andere bzw. neue Produkte zu nutzen. Größte
Herausforderung für die Projektunternehmen sind Sekundärrohstoffe: Mehr als die
Hälfte nutzt nicht mehr, weil kein Sekundärmaterial verfügbar ist, zwei Drittel
verzichten wegen Qualitätsanforderungen an Produkte darauf. Produkte
zurückzunehmen, zu verarbeiten oder alte Materialien zu recyceln und wieder in
den Kreislauf zurückzuführen ist oft teurer und energieintensiver, bedeutet
schlechtere Verkaufschancen, höhere Treibhausgasemissionen und damit schlechtere
Klimabilanzen.
"Zirkuläre Produkte aus Sekundärmaterial sind bisher wenig attraktiv für
Verbraucher*innen oder Unternehmen, denn die meisten gucken nur auf den Preis.
Kosten für Umweltbelastungen über den gesamten Lebenszyklus vom Rohstoffabbau
über Produktion, Wiederaufbereitung und -verwertung bis zur Entsorgung werden
bisher nicht eingepreist. Doch ohne diese Kosten sind Produkte eigentlich nicht
vergleichbar. Und: Kreislaufwirtschaft ist nicht nur eine Preisfrage und Aufgabe
für Unternehmen, sondern braucht auch Know-how und Umdenken in Politik und
Gesellschaft", meint Philipp Andree. Als Praxisvertreter der Wirtschaft sitzt
der Geschäftsführer der Klimaschutz-Unternehmen im Sachverständigenrat für
Verbraucherfragen (SVRV).
Zentral ist auch eine branchenübergreifende Zusammenarbeit in
Wertschöpfungsketten. Schäfer Mietwäsche, die Hoteltextilien und Berufskleidung
waschen, reparieren und vermieten, arbeiten schon immer mit einem Servicemodell.
Der Betrieb verarbeitet aussortierte Textilien weiter oder nutzt sie für den
Transport. Damit schont er Ressourcen, senkt Treibhausgasemissionen und hält die
Textilien so lange wie möglich im Kreislauf. "Wir überlegen, was wir aus unseren
Textilresten noch machen können. Baumwollfasern, die wir nicht mehr zu Textilien
verarbeiten können, könnte die Bauindustrie vielleicht als Dämmstoffe nutzen
oder die Papierbranche weiterverarbeiten", wünscht sich Geschäftsführerin Beate
Schäfer, die als Präsidentin des Deutschen Textilreinigungsverbands (DTV) die
ganze Branche im Blick hat. "Unseren eigenen Kreislauf auf andere Branchen
auszuweiten, ist nicht einfach. Bis wir einen passenden Partner finden, müssen
wir viel recherchieren und mit vielen Unternehmen sprechen und das neben dem
laufenden Geschäft", berichtet sie.
Der Kunststoffverarbeiter Pöppelmann setzt seit über 40 Jahren recycelte
Kunststoffe ein, seit 2018 gehört Kreislaufwirtschaft zur Unternehmensstrategie.
Für alle Produkte von Pflanztöpfen bis zu Kunststoffteilen für Automobil- oder
Pharmabranche gilt: möglichst wenig Material verbrauchen und recycelte
Kunststoffe aus Produktions- und Verbraucherabfällen verwenden. Wenn das
Unternehmen neue zirkuläre Lösungen entwickelt, ist "Rethink" zentral und die
Entwicklerteams denken jedes Produkt neu: Bei Kundenanfragen überlegen sie, was
an Material eingespart oder durch Sekundärmaterial ersetzt und welche Bauteile
wiederverwertet werden können. Kunden bekommen zu jedem Angebot möglichst
Alternativvorschläge aus Rezyklaten mit Angaben zu Einsparungen an Material,
Treibhausgasemissionen und Preisunterschieden zu Primärkunststoffen. "Teilweise
braucht es viel Überzeugungsarbeit, bis Kunden sich für Lösungen mit höherem
Rezyklatanteil entscheiden. Dabei können Farbe, Gerüche und Bedenken wegen
Haltbarkeit eine Rolle spielen. Die größte Herausforderung sind die vielen
Fälle, in denen Primärrohstoffe billiger sind als Sekundärmaterialien und Kunden
sich eher für günstige Preise als für eine bessere Klimabilanz entscheiden",
weiß der für Kreislaufwirtschaft und Klima zuständige Benjamin Kampmann. Er ist
überzeugt: "Wenn Rezyklate sich durchsetzen sollen, braucht es funktionierende
Einsatzquoten und Produkte aus Primärrohstoffen müssen teurer sein als Produkte
aus Sekundärrohstoffen."
Auch das Geschäftsmodell von ZINQ ist zirkulär. Mit möglichst dünnen
Zinkoberflächen, die 80 Prozent Material sparen und weniger
Treibhausgasemissionen verursachen, schützen sie Stahlteile vor Korrosion. Das
Unternehmen nutzt so wenig Ressourcen wie möglich, verwendet verzinkte
Komponenten erneut, nimmt sie zurück und schmilzt Abfälle ein, um sie wieder zu
nutzen. "Wir kooperieren mit Lieferanten, um Primärzink mit reduziertem
CO2-Fussabdruck und Sekundärzink in guter Qualität zu bekommen. Bei Primärzink
wurden schon viel Treibhausgasemissionen reduziert. Noch effektiver wäre es,
mehr Sekundärzink einzusetzen. Wir wollen den Anteil massiv erhöhen, aber bei
Sekundärrohstoffen geht es nicht nur um verfügbare Mengen, sondern vor allem um
Qualität. Wegen der Qualitätsunterschiede zu Primärzink und unseren hohen
Anforderungen können wir nur 25 Prozent Sekundärzink nutzen. Weil es auf dem
Markt nicht genug gutes Sekundärmaterial gibt, versuchen wir das von uns als
Oberflächen applizierte Zink über Rücknahmeangebote zurückzuholen. Wir überlegen
sogar, ob wir selbst zum Recycler werden und zusammen mit Partnern Stahl und
Zink besser getrennt bekommen", sagt das Führungsduo Dr. Birgitt Bendiek und
Lars Baumgürtel. Sie denken: "Damit Kreislaufwirtschaft in Deutschland ins
Laufen kommt und Wertstoffkreisläufe entstehen, brauchen wir noch viel mehr
Kooperation in den Wertschöpfungsketten." Für das ressourcenschonende
Geschäftsmodell bekommen die beiden 2025 den Deutschen Umweltpreis.
In 18 Monaten analysieren die Projektpartner mit den Unternehmen, warum
Klimaschutz und Kreislaufwirtschaft für sie oft Zielkonflikte bedeuten und
diskutieren Lösungsansätze. Für die Projektunternehmen werden individuelle
Empfehlungen für die Umstellung ihrer Geschäftsmodelle auf Kreislaufwirtschaft
entwickelt. Zusammen mit den Umfrageergebnissen leiten die Partner daraus
allgemeine Handlungsempfehlungen ab und programmieren eine digitale
Entscheidungshilfe für Unternehmen, die ihre Geschäftsmodelle auf zirkuläre
umstellen wollen.
Mehr Umfragedetails, Informationen zum Projekt und teilnehmenden Unternehmen
finden Sie hier (https://www.klimaschutz-unternehmen.de/ueber-uns/projekt-wege-z
um-zirkulaeren-geschaeftsmodell) .
Klimaschutz-Unternehmen e.V. ist ein branchenübergreifendes
Unternehmens-Netzwerk der deutschen Wirtschaft, das sich mit innovativen
Lösungen für das Erreichen der klimapolitischen Ziele Deutschlands einsetzt. Auf
Initiative des Bundesumweltministeriums (BMUV), des Bundesministeriums für
Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) und der Deutschen Industrie- und Handelskammer
(DIHK) gegründet, gehören dazu heute 72 Unternehmen aller Größenklassen.
http://www.klimaschutz-unternehmen.de
Das Fachgebiet umweltgerechte produkte und prozesse (upp) der Universität Kassel
arbeitet in verschiedenen Forschungs- und Industrieprojekten auf den Gebieten
Energie-, Ressourceneffizienz, dezentrale und erneuerbare Energien sowie
Klimaschutz und Klimastrategien. Dazu gehören die Erfassung, Auswertung und
Benchmarking von Energiedaten, flexible Energieversorgung und Lastmanagement
sowie Klimaschutzkonzepte. http://www.upp-kassel.de
Pressekontakt:
Klimaschutz-Unternehmen e. V.
Nina Goßlau
Projektleiterin
Telefon: 0171 84 20 199
E-Mail: gosslau@klimaschutz-unternehmen.de
Universität Kassel
Institut für Produktionstechnik und Logistik I Fachgebiet umweltgerechte
produkte und prozesse (upp)
Nadja Buchenau
Projektleiterin
Telefon: 0561 804 34 42
E-Mail: buchenau@upp-kassel.de
Weiteres Material: http://presseportal.de/pm/155641/6132651
OTS: Klimaschutz-Unternehmen. Die Klimaschutz- und Energieeffizien
zgruppe der Deutschen Wirtschaft e. V.
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