Essen (ots) - Die nordrhein-westfälische SPD vollzieht nach Jahren des
Niedergangs eine Kurskorrektur. Der nicht-öffentliche Landesparteirat, in dem
Delegierte aus allen 54 Untergliederungen der NRW-SPD vertreten sind, hat nach
Informationen der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ) am Samstag einstimmig
ein Positionspapier mit dem Titel "Wir haben verstanden: Zeit für Ehrlichkeit
und Veränderung" beschlossen.
"Wir starten einen Prozess, der für die nordrhein-westfälische SPD ein
Wendepunkt sein wird", erklärte Landeschefin Sarah Philipp gegenüber der WAZ.
"Die Bundestags- und Kommunalwahlen waren für uns ein klarer Denkzettel. Wir
haben verstanden, dass sich die SPD verändern muss", so Philipp weiter. Der
Co-Landesvorsitzende Achim Post sprach von einem "Signal des Aufbruchs" und
erklärte, dass Glaubwürdigkeit nur dann wachse, "wenn Politik konkret wirkt - im
Klassenzimmer, auf der Baustelle, in der Verwaltung und im Stadtteil".
In dem vierseitigen Positionspapier üben die Genossen an Rhein und Ruhr so
schonungslos wie selten Selbstkritik. Bei der jüngsten Kommunalwahl sei die SPD
zwar weniger hart erwischt worden, als mancher prophezeit hatte, und konnte
wichtige Ämter halten oder zurückerobern. Dennoch sei keine Zeit für ein Weiter
so. "Der Abwärtstrend hält seit Jahren an. Wir verlieren nicht nur, weil andere
laut sind. Wir verlieren, weil die Menschen uns zu oft nicht mehr glauben",
heißt es in dem Papier.
Die Landespartei will nun von ihren erfolgreichen Oberbürgermeistern lernen, die
teilweise in Städten wie Herne oder Hamm gegen den Negativtrend auf Bundes- und
Landesebene erstaunliche Erfolge erzielen konnten. "Wir haben verstanden, dass
wir Teile unseres Stils und unserer Programmatik anpassen müssen, um verloren
gegangenes Vertrauen zurückzugewinnen. Dabei lernen wir besonders von den
Kandidatinnen und Kandidaten, die diese Kommunalwahl erfolgreich bestritten
haben", heißt es in dem Positionspapier.
Arbeit und Aufstieg gehörten wieder ins Zentrum der Strategie. "Wir sind die
Partei, die für jeden Arbeitsplatz und gleiche Chancen für jedes Kind kämpft."
Die SPD will offenbar auch wieder auf dem Feld der inneren Sicherheit und
Ordnung Boden gut machen: "Wir schärfen unser Profil. Wenn Sicherheit,
Sauberkeit und Integration die Menschen bewegen, dann kümmern wir uns um
Lösungen und Positionen."
Aus dem Positionspapier sollen nun 27 konkrete Lösungen für die Landtagswahl
2027 erarbeitet werden, mit denen die SPD um Stimmen in ihrer einstigen Hochburg
werben will. Bei der Kommunalwahl am 14. September war die SPD im Landesschnitt
auf nur noch 22 Prozent gekommen und weiter hinter der CDU von Ministerpräsident
Hendrik Wüst gelandet. In einstigen Hochburgen wie Gelsenkirchen schafften es
die Genossen nur knapp, vor der im Ruhrgebiet stark gewachsenen AfD zu liegen.
Als besondere Zäsur gilt der Verlust der einst von SPD-Ikone Herbert Wehner als
"Herzkammer" der deutschen Sozialdemokratie bezeichneten Stadt Dortmund an den
künftigen CDU-Oberbürgermeister Alexander Omar Kalouti.
Aus den Reihen der SPD-Kommunalpolitiker war zuletzt der Ruf immer lauter
geworden, sich auf Bundes- und Landesebene wieder stärker mit den Realitäten zu
beschäftigen, anstatt vor der AfD zu warnen oder sich einem vermeintlich
links-grünen Zeitgeist anzuschmiegen. Duisburgs Oberbürgermeister Sören Link (ht
tps://eur02.safelinks.protection.outlook.com/?url=https%3A%2F%2Fwww.waz.de%2Flok
ales%2Fduisburg%2Farticle410015526%2Fsozialbetrug-duisburgs-ob-soeren-link-kriti
siert-den-kurs-der-spd.html&data=05%7C02%7CNRW_Agenturverteiler%40funkemedien.de
%7C4a5ff708c2474471557508de08d2ab99%7C23db520766134b9987ed0998fcf9e578%7C0%7C0%7
C638957898100559336%7CUnknown%7CTWFpbGZsb3d8eyJFbXB0eU1hcGkiOnRydWUsIlYiOiIwLjAu
MDAwMCIsIlAiOiJXaW4zMiIsIkFOIjoiTWFpbCIsIldUIjoyfQ%3D%3D%7C0%7C%7C%7C&sdata=ZTvs
l8HmgnDC7QKaUe3v%2BRH7VrrobuaKFAKDUQCIb1o%3D&reserved=0) , der bereits seit 13
Jahren amtiert und die AfD erneut in Schach halten konnte, hatte im "Spiegel"
beklagt, dass die SPD ihre Kernklientel der Arbeiter mehr und mehr aus den Augen
verloren habe und stattdessen in einen Gerechtigkeitskampf für
Leistungsempfänger und Minderheiten gezogen sei. Zwischen Wählern und Partei
habe "eine thematische Entfremdung" stattgefunden. Dabei sei Grundidee der SPD,
sozialen Ausgleich zu erkämpfen, Ungerechtigkeit zu bekämpfen und
Aufstiegschancen zu eröffnen, "nach wie vor aktuell", so Link.
Die jetzt vom Landesparteirat beschlossene Kurskorrektur dürfte auch die aus
Duisburg stammende SPD-Bundesvorsitzende und Arbeitsministerin Bärbel Bas bei
den anstehenden Sozialreformen in Berlin stärken. Obwohl Bas selbst dem linken
Parteiflügel angehört, hatte sie mit der Union am Freitag in einem ersten
Schritt die Rückführung des umstrittenen "Bürgergeldes" auf eine Grundsicherung
und härtere Sanktionen für Arbeitsverweigerer durchgesetzt.
Kritik an angeblich unzulässigen Härten aus Reihen der Jusos und SPD-Linken
finden in der NRW-SPD offenbar deutlich weniger Resonanz als noch vor wenigen
Jahren. Hatte man sich jahrelang am "Hartz IV-Trauma" abgearbeitet und das
"Fördern und Fordern" der erfolgreichen Arbeitsmarktreformen des früheren
SPD-Kanzlers Gerhard Schröder immer weiter verwässert, scheint jetzt die
kommunale Basis intern durchgesetzt zu haben, dass man sich wieder den
Interessen der Bezieher von kleinen und mittleren Einkommen zuwendet, die den
Sozialstaat mitbezahlen müssen.
Am Ende formuliert das Positionspapier eine Hoffnung: "Wir wollen, dass die
Menschen 2027 sagen: Die SPD ist wieder für mich da, nicht nur in Worten,
sondern in meinem Alltag."
"Wir haben verstanden": NRW-SPD vollzieht Kurskorrektur (https://eur02.safelinks
.protection.outlook.com/?url=https%3A%2F%2Fwww.waz.de%2Fpolitik%2Farticle4102025
73%2Fwir-haben-verstanden-nrw-spd-vollzieht-kurskorrektur.html&data=05%7C02%7CNR
W_Agenturverteiler%40funkemedien.de%7C4a5ff708c2474471557508de08d2ab99%7C23db520
766134b9987ed0998fcf9e578%7C0%7C0%7C638957898100577386%7CUnknown%7CTWFpbGZsb3d8e
yJFbXB0eU1hcGkiOnRydWUsIlYiOiIwLjAuMDAwMCIsIlAiOiJXaW4zMiIsIkFOIjoiTWFpbCIsIldUI
joyfQ%3D%3D%7C0%7C%7C%7C&sdata=x6N8QnTDPINeWs1pcZK9fnr2N%2FS%2F4uwCDAbKx7P4JiM%3
D&reserved=0)
Pressekontakt:
Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Zentralredaktion
Telefon: 0201 - 804 6519
zentralredaktion@waz.de
Weiteres Material: http://presseportal.de/pm/55903/6135704
OTS: Westdeutsche Allgemeine Zeitung
|