Berlin (ots) - Tarifänderung bremst kostengünstiges Bauen aus
Mitten in der Baukrise droht die Berufsgenossenschaft (BG) Bau ausgerechnet
solche Bauunternehmen auszubremsen, die schnell bezahlbaren Wohnraum schaffen
könnten. Deshalb wehrt sich die Fertigbauindustrie vehement gegen die falsche
Tarifeinstufung durch die BG Bau und damit gegen eine staatlich verordnete
drastische Kostenerhöhung. In einer bislang nie dagewesenen Klagewelle, wehren
sich deshalb inzwischen mehr als 70 Unternehmen gegen die aus ihrer Sicht
unsachgemäßen Tarife. Erste Gerichtsentscheidungen geben den Unternehmen Recht.
Ein neuer Gefahrtarif der Berufsgenossenschaft Bau (BG Bau) führt zu erheblichen
Beitragssteigerungen für industrielle Fertigbau- und Holzbauunternehmen. Auf
einer Pressekonferenz in Stuttgart kritisierte heute Prof. Dr. Mathias Schäfer,
Präsident der Interessengemeinschaft Arbeitssicherheit Holzfertigteilbau (IGAH)
und des Bundesverbandes Deutscher Fertigbau (BDF) sowie Geschäftsführer der
FingerHaus GmbH aus dem hessischen Frankenberg die neue Tarifeinstufung: "Mit
der völlig ungerechtfertigten Tarifänderung und der damit einhergehenden
skandalösen Verdopplung der Beiträge, belastet die BG Bau genau jene Firmen, die
Vorreiter im seriellen und klimaneutralen Bauen sind und kostengünstigen
Wohnraum herstellen können. Das ist eine himmelschreiende Ungerechtigkeit."
Die BG Bau konterkariere damit den Willen des Bundestags und der
Bundesregierung, Bauen preiswerter und schneller zu machen und somit einen
Beitrag zur Linderung der Wohnungsnot zu leisten. Schäfer: "Dieser Beschluss der
BG Bau ist komplett kontraproduktiv, denn Bauen wird somit immer mehr Teil der
sozialen Frage, anstatt diese zu lösen. Das ist für Bauunternehmen, Verbraucher
und die Gesellschaft insgesamt schädlich."
In ihrem so genannten 4. Gefahrtarif stuft die BG Bau als für die Bauwirtschaft
zuständige gesetzliche Unfallversicherung die Holzfertigteilbaubetriebe in die
gleiche Tarifstelle ein wie handwerklich tätige Zimmereibetriebe oder
Dachdecker. Und dies, obwohl die Fertigbauunternehmen deutlich geringere
Unfallstatistiken nachweisen können, die in ihrer industriellen Bauweise
begründet sind. Denn während Zimmerer täglich bei Wind und Wetter auf Baustellen
arbeiten, entstehen Fertigbaugebäude überwiegend in geschützten
Produktionshallen mit einem wesentlich geringeren Unfallrisiko. Der Vorteil der
Vorfertigung kommt auch hier deutlich zum Tragen.
Das beweisen sogar von der BG Bau selbst vorgelegte Zahlen: Die Unfallkosten pro
1.000 Beschäftigte sind auf Seiten der Hersteller von Holzfertigteilen um rund
26 % geringer. Ihre Gleichstellung mit deutlich riskanteren Berufsgruppen führt
aber zu einer Verdoppelung der Abgaben und bedeutet Mehrkosten von etwa 1.000
Euro pro Mitarbeiter und Jahr für ein mittelständisches Unternehmen. Für die
gesamte Branche entsteht somit eine unbegründete Belastung in Millionenhöhe.
Auch bei Johannes Schwörer, Präsident der IHK Reutlingen und des Hauptverbandes
der Deutschen Holzindustrie und Kunststoffeverarbeitenden Industrie und
verwandter Industrie- und Wirtschaftszweige (HDH) sowie Gesellschafter der Firma
SchwörerHaus KG) aus dem schwäbischen Oberstetten, löst die aus seiner Sicht
"willkürliche" Tarifänderung Kopfschütteln und Unverständnis aus: "Betriebe, die
sich wie mein Unternehmen jahrelang angestrengt haben, durch große Investitionen
das Unfallgeschehen zu reduzieren, werden nun mit jährlichen Mehrforderungen in
Millionenhöhe seitens der Berufsgenossenschaft konfrontiert. Damit werden
Investition und Leistung bestraft. Nicht nur die Politik sorgt dafür, dass
Unternehmertum und Investitionsmut bestraft werden, sondern nun fangen auch noch
die beitragsfinanzierten Körperschaften damit an." Und Schwörer weiter: "Dies
ist ein Skandal! Und obwohl der Vorgang offensichtlich ist, bedarf es nun
zahlreicher, langjähriger und teurer öffentlicher Gerichtsverfahren, um die
Arroganz der Verantwortlichen in der Berufsgenossenschaft zu zügeln."
Inzwischen wehren sich über 70 Unternehmen vor Gericht gegen die Tarifänderung
der BG Bau - mit ersten Erfolgen. Zuletzt entschied das Sozialgericht Würzburg
in drei Verfahren, dass der 4. Gefahrtarif rechtswidrig ist:
Holzfertigteilhersteller und Zimmerer bildeten unterschiedliche Gewerbezweige,
für die eine gemeinsame Veranlagung nicht gerechtfertigt sei, stellte das
Gericht fest. Weitere Klagen sind vor den Sozialgerichten Freiburg und
Reutlingen anhängig, die Urteile werden im Oktober bzw. November dieses Jahres
erwartet.
Prof. Dr. Mathias Dombert, der mit seiner Kanzlei Dombert Rechtsanwälte
bundesweit eine große Anzahl der klagenden Holzfertigteilbauer vertritt, übt
scharfe Kritik an dem Vorgehen der BG Bau "nach Gutsherrenart, bei der von oben
herab und ohne Auseinandersetzung mit den Besonderheiten der Branche,
wirtschaftlich einschneidende Entscheidungen letztendlich zu Lasten von
Arbeitsplätzen getroffen werden. Es ist unseren Mandanten schwer zu vermitteln,
dass sie in diesen Zeiten gezwungen sind, jahrelange Instanzenzüge in Kauf zu
nehmen, um der BG Bau deutlich zu machen, welche technologischen Besonderheiten
die Hersteller von Holzfertighäusern aufweisen", so Dombert. Besonders
kritisiert Prof. Dombert die Verfahrensweise der BG Bau: "Die BG Bau verkennt
die Anforderungen an die Ausübung ihres Gestaltungsspielraumes. Je
tiefgreifender die wirtschaftlichen Auswirkungen sind, umso sorgfältiger muss
das Verfahren zur Aufstellung der Satzung sein - bunte Charts reichen zur
Rechtfertigung höherer Beiträge nicht aus."
Die Interessengemeinschaft Arbeitssicherheit Holzfertigteilbau (IGAH)
unterstützt und berät die betroffenen Unternehmen. "Der nicht nachvollziehbare
und ungerechtfertigte Beschluss der BG Bau hat der Branche unmissverständlich
aufgezeigt, dass die Stimme der Branche zu wenig Gewicht hatte. Die neu
gegründete IGAH hat sich daher auf die Fahne geschrieben, die Interessen der
Holzfertigteilbaubetriebe zu vertreten, und zwar sowohl gegenüber der BG Bau als
auch gegenüber der BG Holz und Metall, in der auch Holzfertigteilbaubetriebe
organisiert sind", führt IGAH-Geschäftsführer Georg Lange aus.
Die Branchenvertretung sieht als ihre langfristige Aufgabe an, die
Unfallprävention und den Gesundheitsschutz der Beschäftigten weiter zu
verbessern. "Die Unfall- und Krankheitskosten nachhaltig zu senken, ist im
Interesse aller Unternehmen", so Lange.
Pressekontakt:
Dietrich Alexander
Director
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OTS: Bundesverband Deutscher Fertigbau e.V. (BDF)
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