Berlin (ots) - Eine neue Studie des Zentrums für Qualität in der Pflege (ZQP)
verdeutlicht: Pflegebedürftige sind bei alltäglichen Finanzangelegenheiten oft
auf Hilfe angewiesen und Angehörige eine wichtige Stütze für sie. Viele
Angehörige befürchten, dass der Hilfebedarf der pflegebedürftigen Person von
anderen ausgenutzt wird - und hatten bereits Berührung mit den Themen
finanzieller Missbrauch, Betrug oder Trickdiebstahl zum Nachteil
Pflegebedürftiger.
Finanzielle Ausbeutung ist eine zentrale Form von Gewalt gegen ältere Menschen.
Diese kann erhebliche gesundheitliche, soziale und wirtschaftliche Folgen für
Betroffene und ihre Familien haben. Die Relevanz ist also hoch, gleichzeitig
gibt es zu wenig Daten über das Phänomen im Pflegekontext. In einer aktuellen
bundesweiten Studie des ZQP wurden nun über 1.000 pflegende Angehörige zur
Unterstützungspraxis pflegebedürftiger Menschen im Umgang mit ihren Finanzen -
etwa bei alltäglichen Bankgeschäften - befragt. Außerdem wurden Angaben zu ihren
Befürchtungen und Erfahrungen rund um Ausbeutung und finanzielle Schädigung der
Pflegebedürftigen erhoben.
Die Ergebnisse unterstreichen die Notwendigkeit, das Thema finanzielle
Selbstbestimmung und Schutz vor finanzieller Ausbeutung in der häuslichen Pflege
ernst zu nehmen und pflegende Angehörige in ihrem Handeln zu unterstützen. PD
Dr. Ralf Suhr, Vorstandsvorsitzender des ZQP, erläutert dazu: "Es wird zum Teil
unterschätzt, dass sowohl Vertraute und Bekannte als auch unbekannte Täter, die
zum Teil hochgradig organisiert agieren, ein Risiko für die finanzielle
Sicherheit und Selbstbestimmung von älteren pflegebedürftigen Menschen
darstellen können. Mit unserer Studie wollen wir deswegen nicht nur die
Forschung zum Thema in Deutschland weiter anregen, sondern auch zur
gesellschaftlichen Sensibilisierung beitragen." Ein wichtiger Aspekt der
Untersuchung ist deshalb, inwieweit pflegebedürftige Menschen ihre finanziellen
Angelegenheiten selbst bewältigen können: 33 Prozent der befragten Angehörigen
berichten hierzu, dass die pflegebedürftige Person jederzeit einen guten
Überblick über ihre Finanzen hat. 25 Prozent sagen, dass diese ihre
Bankgeschäfte immer oder häufig eigenständig erledigt. Eine klare Mehrheit der
Angehörigen (57 Prozent) unterstützt allerdings die pflegebedürftige Person
regelmäßig bei finanziellen Angelegenheiten.
Dabei sorgen sich viele Befragte um die finanzielle Sicherheit der
Pflegebedürftigen und nehmen das Thema finanzielle Ausbeutung als relevante
Bedrohung wahr.
Neun von zehn befragten Angehörigen (90 Prozent) sind der Meinung, dass
pflegebedürftige Menschen allgemein besonders gefährdet sind, einen finanziellen
Schaden durch Betrug oder Ausnutzung zu erleiden.
50 Prozent der Befragten befürchten, dass die von ihnen unterstützte
pflegebedürftige Person Schaden durch Betrug erleiden könne. Liegt bei der
pflegebedürftigen Person eine Demenz vor, gehen von ihrer Gefährdung sogar 55
Prozent aus.
19 Prozent äußern Sorgen in Bezug auf eine finanzielle Ausnutzung aus dem
persönlichen Umfeld - und 24 Prozent geben dies an, wenn bei der
pflegebedürftigen Person eine Demenz vorliegt.
Ferner sorgen sich 43 Prozent, bei einer Schädigung der pflegebedürftigen
Person, selbst finanziellen Belastungen ausgesetzt zu werden, etwa, weil sie
dann für deren Lebenshaltungs- oder Pflegekosten aufkommen müssten.
Suhr erklärt in diesem Zusammenhang: "In Bezug auf die Prävention finanzieller
Ausbeutung von älteren pflegebedürftigen Menschen kann es Zielkonflikte geben.
Denn zum einen ist der Erhalt der finanziellen Selbstbestimmung älterer
pflegebedürftiger Menschen zentral. Dazu gehört, deren finanzwirksame
Entscheidungen nicht prinzipiell infrage zu stellen, auch wenn man diese als
Nahestehender vielleicht nicht immer nachvollziehen kann. Gleichzeitig sehen
sich Angehörige oft in der Verantwortung dafür, zu verhindern, dass der
pflegebedürftigen Person ein Schaden entsteht, weil sie bestimmte Aspekte von
Bankgeschäften oder anderen finanziellen Aufgaben nicht mehr gut allein
bewältigen kann. Zusätzlich müssen auch pflegende Angehörige vor einer
Überlastung im Umgang mit dem Thema finanzielle Ausbeutung sowie einer möglichen
Mitschädigung geschützt werden."
Die ZQP-Studie weist darauf hin, dass viele der befragten Angehörigen bereits
mit den Themen Betrug, Trickdiebstahl oder finanziellem Missbrauch im Rahmen der
Pflegesituation konfrontiert waren.
37 Prozent berichten von mindestens einem entsprechenden Fall von versuchtem
oder vollendetem Betrug oder Trickdiebstahl durch außenstehende Dritte zum
Nachteil der pflegebedürftigen Person. 19 Prozent sagen, ein solcher habe sich
innerhalb der letzten 12 Monate ereignet. In jedem fünften Fall ist der Person
laut Auskunft der Angehörigen dabei ein Schaden entstanden.
Außerdem berichten 16 Prozent der pflegenden Angehörigen von Verdachtsfällen auf
finanziellen Missbrauch innerhalb der letzten 12 Monate. Das heißt, dass hier
Personen aus dem Kreis von Familie, Freunden und Nachbarn oder zum Beispiel aus
einem Pflegedienst unter Verdacht gerieten beziehungsweise beschuldigt wurden,
sich an der pflegebedürftigen Person finanziell bereichert zu haben. Befragte,
bei deren pflegebedürftigen Angehörigen eine Demenz vorliegt, nennen solche
Verdachtsfälle noch deutlich häufiger - 23 Prozent machen eine entsprechende
Angabe.
Die Mehrheit der Befragten hat zudem von fragwürdigen Geschäftspraktiken
erfahren: Über die Hälfte (53 Prozent) berichtet von mindestens einem Versuch
Dritter, mit der pflegebedürftigen Person ein für diese offenkundig
unvorteilhaftes Geschäft abzuschließen. 30 Prozent berichten von mindestens
einem entsprechenden Versuch innerhalb der letzten 12 Monate. In knapp einem
Viertel solcher Fälle ist der pflegebedürftigen Person daraus offenbar ein
Schaden entstanden.
"Unsere Studie umreißt die erheblichen Herausforderungen und Risiken, die rund
um das Thema finanzielle Selbstbestimmung, Unterstützung bei finanziellen
Angelegenheiten und Schutz vor finanzieller Ausbeutung in der häuslichen Pflege
bestehen. Die dabei ermittelten Angaben zu Verdachtsfällen von finanzieller
Ausbeutung dürfen zwar nicht mit nachweislichen Handlungen verwechselt werden,
sind für das Gesamtbild aber sehr bedeutsam. Denn, auch wenn hier berichtete
Verdachtsmomente oder Vorwürfe letztlich unzutreffend sein sollten, kann es für
alle Beteiligten sehr zeitaufwendig und emotional belastend sein, sich damit
auseinanderzusetzen oder diesen nachzugehen. Schließlich kann dies zu
erheblichen Konflikten führen und negative Folgen für die pflegebedürftigen
Menschen, deren Familie und Unterstützungssystem mit sich bringen - ähnlich wie
bei letztlich bestätigten Übergriffen auch", ordnet Dr. Simon Eggert, Leiter der
Studie, die Ergebnisse ein.
Hintergrund
Für die Studie wurde eine bundesweite Befragung von 1.006 pflegenden Angehörigen
durchgeführt. Befragt wurden Personen im Alter von 40 bis 85 Jahren, die seit
mindestens sechs Monaten eine Person ab 60 Jahren mit anerkanntem Pflegegrad im
häuslichen Umfeld unterstützen. Die Stichprobe wurde aus einem offline
rekrutierten Online-Panel gezogen und nach Alter, Geschlecht und formaler
Bildung nachgewichtet, um eine möglichst repräsentative Abbildung der
Grundgesamtheit zu erreichen. Die statistische Fehlertoleranz der Untersuchung
in der Gesamtstichprobe liegt bei +/- 3 Prozentpunkten.
In welchem Umfang pflegebedürftige Menschen in Deutschland von finanzieller
Ausbeutung betroffen sind, quantifiziert die Untersuchung nicht. Insgesamt ist
aus methodischen Gründen davon auszugehen, dass die Angaben zur Konfrontation
mit Verdachtsfällen, Tatversuchen und vollendeten Taten aus den Bereichen
Betrug, Trickdiebstahl und insbesondere finanziellem Missbrauch eine
Unterschätzung darstellen. Die Werte liegen also wahrscheinlich in der Realität
deutlich höher als die Studie zeigen kann.
Erläuterung zu Begriffen
Finanzielle Ausbeutung
Finanzielle Ausbeutung älterer Menschen kann in die beiden Kategorien
"Finanzieller Missbrauch" und "Betrug/Onlinebetrug" unterteilt werden. Diese
sind allerdings nicht im juristischen Sinne disjunkt. Beide Kategorien
verbindet, dass sich Täter dabei insbesondere die gesundheitliche und soziale
Verletzlichkeit älterer Menschen zunutze machen. Sie beuten Bedürfnisse,
Abhängigkeiten, Ängste, Sehnsüchte und Vertrauen aus und versuchen oftmals von
Überforderungen und Kompetenzverlusten zu profitieren. Die Versuche basieren
häufig auf Formen von Einschüchterung, Täuschung und Manipulation.
Finanzieller Missbrauch
Finanzieller Missbrauch von älteren pflegebedürftigen Menschen umfasst
beispielsweise Unterschlagung oder Diebstahl von Geld oder Wertsachen, Nötigung
zu Geschenken oder Testamentsänderungen, Missbrauch von Vollmachten oder der
willkürlichen Einschränkung der finanziellen Autonomie pflegebedürftiger
Menschen, etwa um ein mögliches Erbe zu bewahren. Entsprechender Missbrauch
findet insbesondere im Familien-, Freundes- und Bekannten- oder im erweiterten
Unterstützerkreis statt. Dabei können Übergriffe auch in guter Absicht, etwa aus
Fürsorgebedürfnis, erfolgen. Die Grenzen zwischen Schädigungsabsicht,
fehlgegangenem Unterstützungsversuch und Missverständnis sind nicht unbedingt
eindeutig. Es kann also sehr schwierig sein, objektives Fehlverhalten von
Personen klar zu identifizieren beziehungsweise von Vermutungen, Verdächtigungen
und unterschiedlichen Wahrnehmungen der Beteiligten abzugrenzen.
Betrug/Onlinebetrug (und Trickdiebstahl)
Unter Betrug, einschließlich Online-Betrug zum Nachteil älterer Menschen, fallen
hier Straftaten, die mittels Täuschung in Bereicherungsabsicht begangen werden.
Dabei besteht in der Regel keine vorherige persönliche Beziehung zwischen Opfer
und Täter. Täter treten dabei über Telefon, Mobilfunk- oder Internetdienste an
potenzielle Opfer heran. Typische Formen sind: Schockanrufe beziehungsweise
Textnachrichten zum Beispiel nach dem Muster "Enkeltrick". Auch Phishing über
E-Mails oder Social-Media-Apps zählt dazu, wobei etwa mit vermeintlichen
Romanzen oder Geldgewinnen und Kapitalanlagechancen gelockt wird. Hinter solchen
Taten stehen häufig kriminelle und zum Teil international vernetzte oder
transnational agierende Gruppen oder Netzwerke. Auch Trickdiebstahl zielt oft
auf ältere Menschen. Dabei geben sich Täter beispielsweise als Polizisten,
Handwerker oder Servicemitarbeiter verschiedenster Art aus, um mit dem Ziel des
Diebstahls Zugang zu Wohnungen zu erlangen.
Pressekontakt:
Torben Lenz
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OTS: Stiftung Zentrum für Qualität in der Pflege
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