Mainz (ots) - Der Strafverteidiger Alexander Stevens und die Konzertbüro
Augsburg GmbH sind mit ihrem Versuch, dem WEISSER RING e.V. Teile von zwei
Artikeln, die sich kritisch mit einer von ihnen veranstalteten
True-Crime-Live-Show auseinandersetzen, gerichtlich untersagen zu lassen,
gescheitert.
Alexander Stevens moderiert seit dem Jahr 2020 den Bayern3-Podcast "True Crime".
Aus diesem Format hat sich zuletzt auch ein Bühnenprogramm für eine Live-Show
unter dem Titel "Tödliche Liebe" entwickelt. Öffentliche Kritik an dem Format
entzündete sich wegen der öffentlichen Aufarbeitung eines Mordfalls an einer
jungen Frau. Seit Oktober 2024 ist dieser Fall gegen den ausdrücklich erklärten
Willen der Angehörigen der Getöteten in verschiedenen deutschen Städten zu
Unterhaltungszwecken inszeniert worden. Der Bayerische Rundfunk, dessen Logo für
die Live-Show verwendet wird, kündigte zuletzt eine inhaltliche wie personelle
Weiterentwicklung des Podcast ab Juli 2025 an und erklärte, dass der Sender den
Logo-Lizenzvertrag zum nächstmöglichen Zeitpunkt beenden wolle.
Dies griff der WEISSE RING auf und berichtete über die Kernkritik an dem Format.
Etwa darüber, dass in der Show ein Originalton des verurteilten Mörders
abgespielt worden ist, der bis heute behauptet, das Opfer nicht getötet zu
haben. Im Anschluss durften die Zuhörer per Smartphone abstimmen, ob - ihrer
Auffassung nach - der Täter des Mordes schuldig sei. Zusätzliche Irritation
löste die Doppelrolle von Alexander Stevens aus, der gleichzeitig
Strafverteidiger des verurteilten Täters war.
Alexander Stevens und die Konzertbüro Augsburg GmbH waren der Ansicht, dass die
Artikel unwahre Tatsachenbehauptungen, unzulässige Meinungsäußerungen und die
Erweckung falscher Eindrücke durch eine unvollständige Berichterstattung
enthalten würden.
Das angerufene Landgericht München hat dem eine Absage erteilt und den Antrag
auf Erlass einer einstweiligen Verfügung mit Urteil vom 18.09.2025
vollumfänglich zurückgewiesen. Die Kammer hat dabei festgestellt, dass das
(Unternehmens-) Persönlichkeitsrecht der Antragsteller durch die beanstandeten
Artikel nicht verletzt sei. Das Landgericht hat zu Recht darauf hingewiesen,
dass Kritik an der Vorgehensweise und dem Inhalt einer öffentlich zugänglichen
Bühnenshow, in welcher reale Tötungsdelikte dargestellt werden, der hierfür
werbende Veranstalter genauso wie der Moderator hinzunehmen haben. Das Urteil
ist noch nicht rechtskräftig.
Hierzu erklärt Rechtsanwalt Professor Dr. Christian Schertz:
"Ich stelle im Rahmen meiner täglichen Arbeit zunehmend fest, dass viele
True-Crime-Formate eklatante Opferrechtsverletzungen enthalten, oder aber, wenn
es keine Rechtsverletzungen sind, dass die Opfer rechtlos sind, weil sie als
Verstorbene leider postmortal keine Persönlichkeitsrechte mehr besitzen. Das
persönliche Schicksal von Menschen wird genutzt, um Einschaltquote, Auflage und
Klickzahlen zu generieren.
Wir haben uns bewusst im deutschsprachigen Rechtsraum gegen ein Geschworenen-
oder Jury-System entschieden, sondern es entscheiden glücklicherweise
Berufsrichter und nicht die Volksseele in Gestalt von Laien. Es ist höchst
unseriös, im Rahmen einer Show gewissermaßen im Nachgang ein Jury-System zu
Unterhaltungszwecken einzuführen. Noch unseriöser finde ich es, wenn sich
hierbei öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten beteiligen, weil die im Rahmen
ihrer Programmgrundsätze eindeutig die Menschenwürde beachten müssen - und ich
finde es würdelos für die Opfer, was hier geschieht.
Meines Erachtens muss der Gesetzgeber anlässlich der aktuellen Entwicklungen im
Bereich True Crime dringend de lege ferenda die postmortalen
Persönlichkeitsrechte von Betroffenen stärken."
Auch Bianca Biwer, Bundesgeschäftsführerin des WEISSEN RINGS, zeigt sich
zufrieden mit dem Urteil:
"Für das WEISSER RING Magazin ist es fundamental, frei und kritisch über Themen
berichten zu können, die mit Opferschutz zu tun haben, auch wenn das nicht jedem
gefällt. Dieses Urteil bestätigt uns in unserer Arbeit. Gerade bei
True-Crime-Formaten ist es wichtig, die Betroffenen oder ihre Angehörigen
frühzeitig zu involvieren, und nicht gegen ihren Willen zu handeln, sonst droht
eine Retraumatisierung. True-Crime-Macherinnen und -Macher sollten bei ihrer
Arbeit nie vergessen, dass es bei jedem Fall um echte Verbrechen und echte
Menschen geht, nicht um Figuren in einem Sonntagabend-Krimi. Sie sollten daher
bei jeder Folge oder jedem Artikel prüfen, ob wirklich eine gesellschaftliche
Relevanz besteht, um einen oft jahrelang zurückliegenden Fall erneut in die
Öffentlichkeit zu bringen. Wir bedanken uns herzlich bei der Kanzlei Schertz
Bergmann für die professionelle juristische Vertretung in dieser wichtigen
Angelegenheit."
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