Berlin (ots) - Wasserstoff gilt als Energieträger der Zukunft. Das Gas lässt
sich klimaneutral herstellen, vielseitig einsetzen und langfristig speichern.
Doch damit Wasserstoff sicher transportiert, gespeichert und genutzt werden
kann, müssen die dabei verwendeten Materialien besonders robust und sorgfältig
geprüft sein. "Wasserstoff kann Metalle im Laufe der Zeit verändern und
schwächen", sagt Ingo Blohm, Referent für Beschaffenheitsanforderungen und
Dampfkesselanlagen beim TÜV-Verband. "Leitungen und Tanks können dadurch Risse
bekommen, undicht werden oder im schlimmsten Fall brechen." Wie sich das
vermeiden lässt, zeigt ein aktuelles Merkblatt des TÜV-Verbands. Darin wird
beschrieben, wie sich geeignete Materialien auswählen und prüfen lassen, um
Wasserstoffanlagen sicher zu betreiben. "Die Werkstofffrage entscheidet mit über
den Erfolg der Wasserstoffwirtschaft", sagt Blohm. "Unser Ziel ist es, das
technische Wissen in klare Empfehlungen für den sicheren Anlagenbetrieb zu
übersetzen." Passend dazu rückt auf der Hamburger Messe "Hydrogen Technology
Expo Europe" das Thema Material- und Anlagensicherheit in den Fokus der
Wasserstoffbranche und beleuchtet ein Feld, zu dem der TÜV-Verband mit dem neuen
Merkblatt einen wichtigen Beitrag leistet.
Wenn Wasserstoff das Metall verändert
Der Umgang mit gasförmigem Wasserstoff stellt Materialien auf eine harte Probe.
Dringt das Gas in ein Metall ein, schieben sich seine winzigen Atome zwischen
die Metallatome. Dadurch verändert sich die innere Struktur: das Material wird
spröder, verliert an Festigkeit und kann unter Belastung plötzlich versagen.
"Besonders häufig ist die wasserstoffinduzierte Rissbildung", sagt Blohm. "Dabei
dringt Wasserstoff in feinste Poren des Metalls ein und schwächt dort die
Bindungen zwischen den Atomen." Unter Belastung können so winzige Risse
entstehen, die sich im Laufe der Zeit unbemerkt vergrößern und schließlich zum
Bruch eines Bauteils führen. Eine andere Form der Schädigung ist das sogenannte
Blistering. Hier sammelt sich Wasserstoffgas in kleinen Hohlräumen im Inneren
des Materials. Der entstehende Druck kann das Metall aufwölben oder sogar
ablösen. Auch an Schweißnähten kann Wasserstoff gefährlich werden. Unter
Spannung entstehen dort bevorzugt Risse, ein Effekt, den Fachleute als
Spannungsrisskorrosion bezeichnen. "Solche Schäden entstehen oft schleichend und
bleiben lange unentdeckt", sagt Blohm. "Gerade deshalb ist es entscheidend, die
Mechanismen genau zu kennen und schon bei der Planung geeignete Materialien
auszuwählen, die diesen Belastungen standhalten."
Werkstoffprüfung und Konstruktion: So bleibt Metall unter Wasserstoff stabil
Um solche Schädigungen zu verhindern, braucht es aus Sicht des TÜV-Verbands
technisches Wissen, klare Prüfverfahren und praxisnahe Leitlinien. Genau hier
setzt das Merkblatt an. Es zeigt, welche Prüfverfahren sich eignen, um
wasserstoffbedingte Schäden rechtzeitig zu erkennen. Dazu gehören
Ultraschallprüfungen, mit denen sich feine Risse oder Veränderungen im Inneren
des Metalls aufspüren lassen, ebenso wie Röntgen- oder Druckprüfungen, die
Schwachstellen sichtbar machen, bevor sie sicherheitsrelevant werden.
Zudem enthält das Merkblatt Hinweise, wie sich Bauteile so gestalten und
fertigen lassen, dass sie weniger anfällig für Versprödung oder Rissbildung
sind. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf der Schweißtechnik. "Beim Verbinden von
Metallteilen entstehen oft hohe Temperaturen und Spannungen, die den Werkstoff
anfälliger machen können", sagt Blohm. Durch bestimmte Schweißverfahren,
Zusatzwerkstoffe und eine gezielte Wärmebehandlung nach dem Schweißen lassen
sich innere Spannungen reduzieren. Dadurch bleibt das Metall stabil.
Auch die Konstruktion der Bauteile spiele eine wichtige Rolle, so Blohm: "Wenn
Bauteile so gestaltet werden, dass sich Kräfte gleichmäßig verteilen, lassen
sich Schwachstellen von vornherein vermeiden. Sanfte Übergänge statt scharfer
Kanten, die richtige Wandstärke oder eine glatte Oberfläche können darüber
entscheiden, ob ein Bauteil Jahrzehnte hält oder frühzeitig Risse bekommt."
Wasserstoff bringt neue Herausforderungen für Regelwerke
Obwohl Wasserstoffanwendungen in Industrie, Energieversorgung und Mobilität
zunehmen, fehlen bislang verbindliche Regeln, wie Materialien unter
Wasserstoffeinfluss zu bewerten sind. In bestehenden Normen und technischen
Regelwerken wird das Thema Wasserstoffversprödung bisher nur am Rande behandelt.
Mit dem neuen Merkblatt gibt der TÜV-Verband Fachleuten aus Planung, Prüfung und
Betrieb von Wasserstoffanlagen eine klare Orientierung an die Hand und ergänzt
bestehende Vorschriften um praxisnahe Handlungsempfehlungen.
"Viele bestehende Regelwerke wurden für konventionelle Gase entwickelt und
berücksichtigen die besonderen Eigenschaften von Wasserstoff bislang nur
unzureichend", sagt Blohm. "Mit der zunehmenden Nutzung von Wasserstoff
entstehen neue technische Anforderungen, auf die sich Normung und Praxis
schrittweise einstellen. Unser Merkblatt bietet dafür eine erste Orientierung
und fasst den bisherigen Wissensstand zusammen."
Neues Merkblatt online verfügbar
Das neue TÜV-Verband Merkblatt 1276 "Schädigung metallischer Werkstoffe durch
den Einfluss von gasförmigem Wasserstoff - Einführung für Sachverständige" ist
ab sofort als digitale Version im Onlineshop des TÜV-Verbands erhältlich und
kostet 95,94 Euro: https://ots.de/kh9c3K
Vom 21. bis 23. Oktober 2025 treffen sich auf der Hydrogen Technology Expo
Europe in Hamburg zudem Vertreter:innen der internationalen Wasserstoffbranche.
Damit greift die Messe ein Thema auf, das auch für den TÜV-Verband zentral ist:
die Sicherheit von Materialien und Anlagen im Umgang mit Wasserstoff.
Über den TÜV-Verband: Als TÜV-Verband e.V. vertreten wir die politischen
Interessen der TÜV-Prüforganisationen und fördern den fachlichen Austausch
unserer Mitglieder. Wir setzen uns für die technische und digitale Sicherheit
sowie die Nachhaltigkeit von Fahrzeugen, Produkten, Anlagen und Dienstleistungen
ein. Grundlage dafür sind allgemeingültige Standards, unabhängige Prüfungen und
qualifizierte Weiterbildung. Unser Ziel ist es, das hohe Niveau der technischen
Sicherheit zu wahren, Vertrauen in die digitale Welt zu schaffen und unsere
Lebensgrundlagen zu erhalten. Dafür sind wir im regelmäßigen Austausch mit
Politik, Behörden, Medien, Unternehmen und Verbraucher:innen.
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