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Köln (ots) - Für ihre journalistische Arbeit werden die ARD-Korrespondentinnen
Sophie von der Tann (Studio Tel Aviv) und Katharina Willinger (Studio
Istanbul/Teheran) zu gleichen Teilen mit dem Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis 2025
ausgezeichnet. Der Sonderpreis in diesem Jahr geht an "Reporter ohne Grenzen".
Mit dem Hanns-Joachim-Friedrichs-Förderpreis wird der WDR-Journalist Borhan Akid
geehrt.
Die Auszeichnungen versteht die Jury als Statement für Qualitätsjournalismus mit
Blick auf medienpolitische Debatten. In diesem Jahr richtet sich der Fokus auf
den Vormarsch totalitärer und autokratischer Regime, die die Meinungs- und
Pressefreiheit als eine der tragenden Säulen demokratischer Ordnung zerstören
wollen, so die Jury unter dem Vorsitz von Sandra Maischberger. Diesem Thema
widmet sich auch der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Prof.
Andreas Voßkuhle, in seinem Vortrag "Presse im Visier, Demokratie in Gefahr" bei
der Verleihung.
Gastgeber der Preisverleihung am Donnerstag, dem 4. Dezember 2025, im Funkhaus
Köln ist der Westdeutsche Rundfunk. In diesem Jahr feiert der
Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis sein 30-jähriges Jubiläum. WDR-Intendantin und
Schirmherrin des Preises, Dr. Katrin Vernau, unterstreicht die Bedeutung der
Auszeichnung: "Der Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis erinnert uns daran, was guten
Journalismus ausmacht: Unabhängigkeit und Distanz - selbst gegenüber Themen, die
uns nahestehen, und kritische Wachsamkeit gegenüber Macht und Einfluss. Gerade
in Zeiten von Desinformation und Polarisierung brauchen wir unabhängigen,
mutigen und verantwortungsvollen Journalismus, wie ihn die diesjährigen
Preisträgerinnen und Preisträger repräsentieren - mehr denn je."
NDR-Intendant Hendrik Lünenborg, als zweiter Schirmherr ergänzt: "Nur wer zuhört
und unterschiedliche Blickwinkel wirklich aufnimmt, kann die Vielschichtigkeit
unserer Gesellschaft abbilden. Perspektivenvielfalt ist daher wesentlich für
guten Journalismus. Täglich bemühen wir uns darum, vielfältige Stimmen
einzubeziehen, genau hinzuhören und durch echten Dialog journalistische Relevanz
zu schaffen. Der Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis steht genau für diese Haltung -
ich gratuliere den Preisträgerinnen und Preisträgern herzlich, die diese Werte
mit ihrer Arbeit auf herausragende Weise ausfüllen."
DIE JURY-BEGRÜNDUNGEN
SOPHIE VON DER TANN
Als die Terror-Miliz Hamas am 7. Oktober 2023 ihren bestialischen Angriff auf
jüdische Siedlungen durchführt, ist Sophie von der Tann seit zwei Jahren im Land
und die einzige TV-Korrespondentin im ARD Studio Tel Aviv. Von einem Augenblick
zum nächsten steht Sophie von der Tann in einem der massivsten Waffengänge der
Geschichte des Heiligen Landes an der Berichterstattungsfront. Sie stützt sich
auf die Erfahrung der ersten zwei Jahre im Job vor Ort, auf die Erinnerung an
mehrere Aufenthalte dort und auf ein auf diese Aufgabe perfekt zugeschnittenes
Studium in Deutschland, Großbritannien und den USA. Sie spricht hebräisch und
arabisch.
Praktisch von Anfang an erleben Zuschauer der ARD eine krisenfeste und
unerschrockene Korrespondentin, die sich nicht scheut, Dinge beim Namen zu
nennen. Wenn es um die Massaker der Hamas und ihre Terror-Herrschaft in Gaza
geht, fällt das nicht schwer. Wenn eine deutsche Korrespondentin auch kritisch
über Israels Politik und Kriegsführung berichtet, macht das schon eher Probleme.
Auch deutsche Journalist:innen stehen im Kontext der deutschen Geschichte.
Dessen müssen sie sich nach dem Verständnis der Jury immer bewusst sein, es
immer respektieren. Es gilt aber auch, Haltung zu bewahren, wenn dieses Gebot zu
einem Instrument gemacht wird, das professionelle, fakten-basierte
Berichterstattung ausschalten soll.
Der wirkmächtige Botschafter Israels in Deutschland, der auch von deutschen
Medien erklärtermaßen "Solidarität mit Israel" erwartet, forderte öffentlich,
dass die Korrespondentin ins Lager der Aktivisten wechseln solle. Zum Teil
orchestrierte Reaktionswellen in den sogenannten "sozialen" Medien sind deutlich
brutaler.
Man kann immer über einzelne Formulierungen diskutieren. Das ändert nichts
daran, dass die Jury in Sophie von der Tann eine herausragende Journalistin
(an)erkennt, die in einer Extremsituation zuverlässig erstklassige Arbeit
liefert, die - gestützt auf ihre Kenntnis der Sprachen und Kulturen des Landes -
den Menschen und ihren Schicksalen nahe ist, ohne dazu zu gehören, cool - aber
nicht kalt. Wie es Hanns-Joachim Friedrichs für unseren Stand postulierte. Man
spürt ihre Entschlossenheit, die komplexe Wirklichkeit verständlich zu erklären.
KATHARINA WILLINGER
Katharina Willingers Berichtsgebiet ist ein Testgelände für Berichterstattung
unter einem totalitären Regime und einer zunehmend autoritären Regierung - eine
Kunst also, die in immer mehr Ländern gebraucht wird. Ihre Arbeit fällt auf
durch Professionalität, Empathie und fundierte Kenntnis der Länder, aus denen
sie berichtet: Iran, die Türkei und Zypern. Sie berichtet unaufgeregt und
kenntnisreich im klassischen Sinn unseres Namensgebers. Ihre Reportagen
beeindrucken durch Besonnenheit und kenntnisreiche Einordnungen. Willinger
scheut sich nicht, undifferenzierte Bilder zurechtzurücken, gängige Klischees zu
hinterfragen und die Welt auch einmal anders als durch die westliche Brille zu
sehen. Dabei nimmt sie die Zuschauer mit, bleibt in einer unverschnörkelt
verständlichen Sprache. Bei ihr stehen oft Menschen und Einzelschicksale im
Vordergrund. So auch in ihrer Berichterstattung über die
israelisch-amerikanischen Angriffe auf den Iran.
Immer wieder macht sie deutlich, welche verheerenden Auswirkungen die Konflikte
großer Mächte auf das Leben der Menschen haben. Es gelingt ihr, den Blick von
den Mullahs auf die Menschen zu lenken, die den Preis für ihre religiös
verbrämten Herrschaftsansprüche zahlen.
Auch Willingers Türkei-Berichterstattung bleibt bei jenen, die betroffen sind
von Machtmissbrauch und Wirtschaftsnotstand, gibt jenen eine Stimme, die sich
unter einer Ein-Mann-Regierung, die politische Gegner mundtot macht, dem Klima
der Angst entgegenstellen. Das wird immer schwieriger mit jedem Schritt, den
Erdogan in Richtung unangreifbare Autokratie geht. Die Türkei ist uns nahe,
Mitglied der NATO, Beitrittskandidatin der EU. Es ist entscheidend, dass
Deutschland die Vorgänge dort und das Treiben des Machthabers im Auge behält und
versteht. Bei Katharina Willinger ist diese schwierige Aufgabe in besten Händen.
Ihr Studium der Islamwissenschaft an der Universität Bamberg bot der aus
Unterfranken in Bayern stammenden Preisträgerin eine solide Grundlage zum
Verständnis der Region. Ihre Ausbildung zur Journalistin absolvierte sie beim
Bayerischen Rundfunk. 2016 ging sie als freie Journalistin in die Türkei, ein
Jahr, das vor allem vom Putschversuch gegen die Erdogan-Regierung geprägt war.
2017 übernahm sie eine der beiden TV-Korrespondentenstellen im dortigen
ARD-Studio (BR). 2020 übernahm sie die Leitung des ARD-Büros in Teheran,
Studioleiterin in Istanbul wurde sie 2023. Im Jahre 2024 erhielt sie den
Grimme-Preis in der Kategorie "Information und Kultur".
"REPORTER OHNE GRENZEN" - Sonderpreis
Die Welt verzeichnet zunehmend gezielte tödliche Angriffe gegen Journalisten
während des Gaza-Krieges und in anderen militärischen Konflikten sowie einen
immer stärkeren Druck auf die freie Berichterstattung. Und das nicht mehr nur in
autoritären Staaten wie Russland oder China, sondern ebenfalls in vermeintlich
demokratisch verfassten Gesellschaften. Dort gibt es zunehmend aggressive
Zensurbestrebungen nebst einer immer offeneren Forderung nach Selbstzensur von
Journalisten und Medien - sogar in einigen europäischen Ländern und neuerdings
auch und besonders in den Vereinigten Staaten. Die konzertierten Angriffe auf
die Presse- und Medienfreiheit verlangen die Stärkung von Organisationen, die
sich der Verteidigung und Bewahrung dieser Freiheit verschrieben haben und
tagtäglich für den Schutz von Journalist:innen und ihrer Arbeit einsetzen, oft
unter großer persönlicher Gefahr. Dieses im wahren Sinn des Wortes
lebenswichtige Engagement will die Jury im 30. Jahr des
Hanns-Joachim-Friedrichs-Preises würdigen und vergibt ihn an die weltweit
operierende Organisation " Reporter ohne Grenzen ".
BORHAN AKID (WDR) - Förderpreis
Er arbeitet als Journalist und Reporter für WDRforyou, das bekannte
WDR-Online-Format mit Informationen und Orientierung für Geflüchtete und
Zugewanderte in Deutschland. Borhan Akid fiel in diesem Jahr besonders durch
zwei herausragende Leistungen auf: Er gestaltete und moderierte das Format
"Danke, aber... 10 Jahre nach Merkels Versprechen", ein einstündiges Gespräch
zwischen ehemaligen Geflüchteten und Angela Merkel. Akid moderiert. Er weiß,
worum es geht, ist selbst vor zehn Jahren aus Syrien nach Deutschland geflohen.
Da konnte man über eine Stunde lang eine authentische Begegnung erleben zwischen
Politik und den Menschen, deren Leben sie unmittelbar verändert hat. Eine
Stunde, in der das Thema "Migration" mal nicht als Problem behandelt wird.
Im selben Jahr dokumentierte Borhan Akid seine eigene Rückkehr nach Syrien, nach
dem Sturz des Assad-Regimes, in dem er Filmemacher, Betroffener und Presenter
gleichzeitig ist. Es gelingt ihm, dieses Dreieck uneitel und überzeugend zu
zeichnen. Er versucht nicht, wenige Monate nach dem Sturz von Assad die Frage zu
beantworten: Ist das jetzt gut oder wird es noch schlimmer? Akid lässt die
Menschen erstmal aufatmen, reflektiert über das Exil, über seine eigenen
Empfindungen zurück in der Nachbarschaft seiner Jugend. Über die zerrissene
Generation der älteren Geflüchteten, die noch viel mehr in Syrien verhaftet sind
und vor der Frage stehen: Gehen oder bleiben?
Der Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis würdigt seit 1995 herausragende Leistungen
des kritischen Fernsehjournalismus. Die Jury umfasst die Gründer und bisherigen
Preisträgerinnen und Preisträger. Die Intendanten von NDR und WDR sind
Schirmherren des Preises. Die jährliche Verleihung findet wechselnd beim NDR in
Hamburg und beim WDR in Köln statt.
Weitere Informationen zu Struktur, Geschichte und Jurybegründungen des Preises:
https://hanns-joachim-friedrichs.de
Pressekontakt:
WDR Kommunikation
kommunikation@wdr.de
0221.220-7100
Weiteres Material: http://presseportal.de/pm/7899/6143193
OTS: WDR Westdeutscher Rundfunk
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