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Heidenheim (ots) - Die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) prüft derzeit, ob
Ethanol künftig als krebserregend, erbgutverändernd und fortpflanzungsgefährdend
eingestuft wird. Ein Verbot in Desinfektionsmitteln hätte weitreichende Folgen -
für Krankenhäuser, Praxen und die Pandemieversorgung in Europa. Bei einer
Veranstaltung des Bundesverbandes der Pharmazeutischen Industrie e.V. in Berlin
warnten Experten und empfahlen, von einer Einstufung abzusehen.
Ethanol steht vor einer regulatorischen Neubewertung. Die Europäische
Chemikalienagentur (ECHA) plant, den Wirkstoff als sogenannten CMR-Stoff
einzustufen - also als krebserregend (cancerogen), erbgutverändernd (mutagen)
und womöglich auch fortpflanzungsgefährdend (reproduktionstoxisch). Damit könnte
der Einsatz verboten werden oder nur noch unter sehr strengen Auflagen erfolgen.
Das hätte weitreichende Folgen für das Gesundheitswesen: Ethanol ist ein
wesentlicher Wirkstoff in Desinfektionsmitteln, da er besonders effektiv gegen
Bakterien und Viren wirkt. Ethanolhaltige Desinfektionsmittel dürften nicht mehr
frei in medizinischen oder öffentlichen Einrichtungen eingesetzt werden.
"Ethanol ist der Alkohol mit extrem breiter Wirksamkeit, gegen verschiedene
Erreger", sagt Prof. Johannes Knobloch Facharzt für Mikrobiologie, Virologie,
Infektionsepidemiologie und Krankenhaushygiene und Leiter des Arbeitsbereiches
Krankenhaushygiene am Universitätskrankenhaus Hamburg-Eppendorf auf einer
Veranstaltung des Bundesverbandes der Pharmazeutischen Industrie e.V. und BODE
Chemie GmbH, einem Unternehmen der HARTMANN GRUPPE. Zwar gebe es Ersatzstoffe.
Diese seien aber weniger wirksam und auch nicht in der Breite verfügbar.
Bei einer Einschränkung von Ethanol gäbe es keinen sicheren Schutz in Kliniken
und Praxen. Infektionen könnten sich ungebremst ausbreiten. "Seit 60 Jahren
verwenden wir Ethanol als Einreibeprodukt, um die Hände zu desinfizieren", so
Knobloch. "Wenn eine Kampagne gegen Ethanol ausgerollt wird, kann das Vertrauen
in die Händedesinfektion bei Beschäftigten in der Gesundheitsversorgung massiv
beeinträchtigt werden." Damit würde ein wichtiger Grundpfeiler der Prävention
wegbrechen.
Eine entsprechende CMR-Einstufung würde außerdem die strategische Krisenvorsorge
Europas erheblich schwächen. "Die nächste Pandemie kommt bestimmt", betont Prof.
Andreas Widmer, Präsident des Nationalen Zentrums für Infektionsprävention der
Schweiz (Swissnoso). Ethanol wirkt schnell und breit gegen Bakterien und Viren,
ist gut hautverträglich und biologisch abbaubar, somit wenig belastend für die
Umwelt. Ethanol erfüllt damit zentrale Kriterien für die Resilienz kritischer
Infrastrukturen. "Ethanol ist ein Alkohol, den man leicht und günstig biologisch
herstellen kann. Alternativen wären nur primär synthetisch produzierbar." In
Europa stehen etwa fünf- bis zehnmal so viele Produktionsstätten für Ethanol zur
Verfügung wie für andere biozide Wirkstoffe. "Der Wegfall von Ethanol als
Inhaltsstoff wäre eine Katastrophe für die Katastrophenversorgung", ergänzt
Knobloch.
Geplante CMR-Einstufung ignoriert Realität der Anwendung - Entscheidung im
November 2025
Grundsätzlich sei es richtig, Stoffe auf ihre Gefährlichkeit zu untersuchen,
sagt Knobloch. "Das Verfahren ist richtig und wichtig." Denn damit werde dafür
gesorgt, sichere Produkte am Markt zu haben. Die verschärfte Einstufung basiert
allerdings ausschließlich auf Daten zur übermäßigen oralen Aufnahme von
Ethanolgemischen (Trinkalkohol), die keine Differenzierung im medizinischen
Einsatz berücksichtigen. "Das ist der bürokratische Fehler in diesem Verfahren."
Die Entscheidung der ECHA soll im November fallen.
Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) und weitere Verbände
warnen in einer gemeinsamen Stellungnahme: "Eine verschärfte Einstufung würde
sich gravierend auf die Herstellung wichtiger Arzneimittel und Medizinprodukte
und damit auf die Versorgung von Patientinnen und Patienten auswirken."¹ Eine
Einschränkung von Ethanol würde etablierte Produkte verdrängen, neue Engpässe
verursachen und Innovationen erschweren - während zugleich kein zusätzlicher
Schutz für Patientinnen, Patienten oder Verbraucherinnen und Verbraucher
entstünde.
Vor dem Hintergrund globaler Unsicherheiten muss Europa alles daransetzen, seine
gesundheitliche Grundversorgung robust und reaktionsfähig zu halten. Ethanol ist
kein Risikostoff - sondern ein strategisches Resilienzmittel. Die politisch
Verantwortlichen stehen nun in der Pflicht, eine faktenbasierte, differenzierte
Entscheidung zu treffen. Es geht nicht nur um eine Einstufung - es geht um
Europas Fähigkeit, im Krisenfall handlungsfähig zu bleiben.
¹ Gemeinsame Pressemeldung von BPI, BVMed, IHO und VDGH vom 27. Februar 2024:
"Ethanol ist im medizinischen Bereich unverzichtbar - und muss es bleiben!";
https://ots.de/QNgop1
Pressekontakt:
Philipp Hellmich
PAUL HARTMANN AG
Tel. +49 7321 361308
E-Mail: mailto:philipp.hellmich@hartmann.info
Weiteres Material: http://presseportal.de/pm/34248/6151969
OTS: PAUL HARTMANN AG
ISIN: DE0007474041
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