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Berlin (ots) - In diesem Monat gedachten die Hizmet-Bewegung und ihr verbundene
Menschen weltweit des ersten Todestages Gülens. Der Prediger war vor einem Jahr
im Exil in den USA gestorben. Seine Bewegung wird von der türkischen Regierung
für den Putschversuch von 2016 verantwortlich gemacht, was jedoch nie
nachgewiesen werden konnte.
Die Bewegung hat sich in diesem ersten Jahr ohne ihren geistigen Wegbereiter
stabil halten können. Ihre Aktivitäten in den Kernbereichen des interreligiösen
Dialogs, der Bildung und der Medienarbeit gingen weiter - Projekte und Kongresse
konnten erfolgreich durchgeführt werden.
"Die Hizmet-Bewegung war nie auf eine Person zugeschnitten", erklärt Ercan
Karakoyun, Vorsitzender der Stiftung Dialog und Bildung und Ansprechpartner der
Bewegung in Deutschland. "Schon zu Lebzeiten Fethullah Gülens war Hizmet
dezentral organisiert. Deshalb war der Übergang nach seinem Tod zwar emotional
schwer, aber strukturell gut zu bewältigen."
So gut es Hizmet und ihren Freiwilligen gelungen ist, den inneren Kern der
Bewegung zusammenzuhalten, bleiben doch jene Herausforderungen bestehen, mit
denen sie auch schon zu Lebzeiten Gülens konfrontiert war. Dazu gehört, dass
Hizmet in der Türkei selbst und in der türkeistämmigen Einwanderercommunity nach
wie vor Anfeindungen ausgesetzt ist - auch von Gegnern der AKP und der Regierung
Erdogan, die Gülen .
"Leider erleben wir immer wieder, dass Vorurteile oder politische Zuschreibungen
Projekte behindern", so Karakoyun. "Dabei steht Hizmet für
zivilgesellschaftliches Engagement und den Dienst am Gemeinwohl - nicht für
politische Ambitionen."
"Viele verstehen bis heute nicht, dass wir keine politische Organisation sind",
sagt Karakoyun. "Hizmet ist eine religiös motiviete soziale Bewegung der
Bildung, des Dialogs und der Verantwortung."
Zwischen Kurden, Aleviten und Kemalisten: Ein schwieriger Dialog
In der kurdischen Bevölkerung blieb das Verhältnis zu Gülen und dem
Hizmet-Netzwerk zwiespältig. Viele Kurden gehörten Hizmet an und begeisterten
sich für deren Bildungsarbeit. Besonders in Ost- und Südostanatolien entstanden
durch die Schulen und Nachhilfeeinrichtungen der Bewegung Chancen für Kinder aus
armen Familien - Bildung statt Perspektivlosigkeit.
Doch genau das führte zu Spannungen: Einige Kräfte innerhalb der kurdischen
Gesellschaft, insbesondere aus dem Umfeld der PKK, sahen in dieser Entwicklung
eine Bedrohung. Durch die erfolgreiche Bildungsarbeit von Hizmet fehlten der PKK
zunehmend junge Menschen, die früher für den bewaffneten Kampf oder für
Strukturen der Organisation rekrutiert wurden.
"Wenn Bildung Hoffnung schafft, verliert Gewalt an Attraktivität", sagt
Karakoyun. "Gerade das hat manche Akteure in der kurdischen Bewegung als
Konkurrenz empfunden. Aber unser Ziel war nie, jemandem etwas wegzunehmen -
sondern Perspektiven zu eröffnen."
Hinzu kam, dass die Bewegung aufgrund ihrer religiösen Ausrichtung von Teilen
der kurdischen Linken oder säkularen Milieus misstrauisch betrachtet wurde.
Viele dieser Gruppen lehnten religiös inspirierte Initiativen grundsätzlich ab,
auch wenn sie gesellschaftlich positive Wirkungen hatten.
"Hizmet war für manche zu religiös, für andere zu modern, und für wieder andere
zu unabhängig", erklärt Karakoyun. "Aber genau diese Vielfalt ist auch unsere
Stärke."
Ähnlich komplex war das Verhältnis zu den Aleviten. Auf der einen Seite suchte
Hizmet seit jeher den Dialog mit ihnen. Fethullah Gülen selbst sprach sich dafür
aus, dass der türkische Staat nicht nur Moscheen, sondern auch Cemhäuser
finanziell unterstützen sollte - ein damals progressiver Vorschlag.
"Wir haben immer betont, dass Aleviten Teil derselben Gesellschaft sind und dass
auch ihre religiösen Räume gleiche Anerkennung verdienen", sagt Karakoyun.
Doch viele alevitische Intellektuelle und politische Vertreter misstrauten
diesem Ansatz. Sie fürchteten, dass eine staatliche Finanzierung zu einer
Einmischung in ihre inneren Angelegenheiten führen könnte - oder gar zu einem
Versuch, sie religiös zu "vereinheitlichen". Historisch bedingt war dieses
Misstrauen tief verwurzelt: Die Aleviten hatten über Jahrzehnte Repressionen
erlebt und begegneten staatlich oder religiös dominierten Initiativen mit
Skepsis.
"Dieses Misstrauen ist verständlich, wenn man die Geschichte kennt", sagt
Karakoyun. "Aber unser Dialogangebot war immer ehrlich gemeint. Wir wollten
Brücken bauen, keine Grenzen verwischen."
Zudem wurde Hizmet in der öffentlichen Wahrnehmung oft pauschal mit der AKP
gleichgesetzt - besonders in den frühen 2000er Jahren, als beide noch ähnliche
Reformanliegen teilten. Für viele Aleviten, die sich der säkularen oder linken
Opposition verbunden fühlten, war das ein weiterer Grund für Distanz.
"Dass wir damals von außen als politisch wahrgenommen wurden, hat Vertrauen
erschwert", räumt Karakoyun ein. "Aber Hizmet war nie Teil einer Partei. Wir
müssen und wollen das heute deutlicher machen."
Selbstkritik bleibt erforderlich - Hizmet muss aus Fehlern lernen
Bis zum Beginn der systematischen Dämonisierung und Verfolgung durch die
Regierung Erdogan wurde Hizmet sowohl von säkularen Kreisen als auch von
kurdischen und alevitischen Organisationen als verlängerter Arm der AKP gesehen.
An dem Eindruck sind einzelne Akteure der Bewegung nicht ganz unschuldig.
"Natürlich müssen wir uns selbstkritisch mit der Vergangenheit
auseinandersetzen", sagt Karakoyun. "Manche haben die politische Nähe in den
2000er Jahren, die eigentlich mit dem damaligen Demokratisierungsprozess zu tun
hatte, falsch eingeschätzt. Wichtig ist, dass wir daraus lernen und den
ursprünglichen Geist von Hizmet - Bildung, Spiritualität und Dialog - in den
Mittelpunkt stellen."
Weltweit fühlen sich heute Millionen Menschen Hizmet verbunden.
"Diese Bewegung lebt von den Menschen, die sich tagtäglich für Verständigung,
Toleranz und gesellschaftlichen Zusammenhalt einsetzen", betont Karakoyun. "Das
ist unsere eigentliche Stärke - und das, was Fethullah Gülen uns hinterlassen
hat."
Pressekontakt:
Ahmet Daskin
Stiftung Dialog und Bildung
Behrenstr. 29
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OTS: Stiftung Dialog und Bildung
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