|
Köln (ots) - Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus. Das sollte
jeder Meinungsforscher wissen. Die "Mitte-Studie" der Friedrich-Ebert-Stiftung
und der Universität Bielefeld ist in dieser Hinsicht nicht über jeden Zweifel
erhaben. Manche Testfragen zur Erfassung tatsächlicher oder vermeintlicher
Einstellungen wirken suggestiv und irreführend.
So arbeiten die Autoren mit der vagen Vorstellung eines "starken
Nationalgefühls" und problematisieren, dass 40 Prozent der Befragten voll oder
weitgehend den Wunsch danach teilen. Aber ob diese Umfrageteilnehmer darunter
völkische Ideologien verstehen oder das Bekenntnis zur demokratisch verfassten
deutschen Nation, bleibt unklar - Hauptsache, ihre Aussage lässt sich als
irgendwie rechts werten. Oder man gibt keine sachlich vertretbaren
Antwortoptionen zur Einschätzung wirtschaftlicher Hintergründe von Migration
vor, sondern bietet den Teilnehmenden nur eine unsinnige Pauschalaussage über
"die Ausländer" an, die angeblich unseren Sozialstaat ausnutzen wollen. Wer sich
da zum "teils/teils" verleiten lässt, hat seinen Minuspunkt weg. So kann man
Leute aufs Glatteis führen.
Dass die Studienautoren in einigen Fällen so vorgehen, ist schade, denn
eigentlich ist ihre tief gehende Erfassung politischer und gesellschaftlicher
Einstellungen wertvoll. Der überwiegende Teil der Fragen, etwa zu Themen wie
Antisemitismus und Nationalsozialismus, ist sauber formuliert. Und auch wenn man
die Ergebnisse aus eher zweifelhaften Fragestellungen abzieht, bleibt die
bittere Erkenntnis: Ungefähr ein Fünftel der Befragten steht unserer
demokratischen Ordnung zumindest distanziert gegenüber.
Es gibt weit rechts und, wie die Autoren einräumen, auch weit links im
politischen Spektrums Sympathien für ein autoritäres Staatsmodell, und es gab
sie - nicht ganz so ausgeprägt - schon bei der ersten derartigen Studie 2014/15.
Dieser historische Hinweis ist wichtig für den aktuellen Umgang mit Rechts- und
auch Linksaußen-Parteien. Der Zulauf, den sie haben, ist nicht allein durch
äußere Umstände - wie Flüchtlingskrise, Corona, Ukraine-Krieg - zu erklären.
Vorhanden war heutige Klientel der AfD zu großen Teilen schon 2014/15, als diese
Partei noch in ihren Anfängen steckte. Die AfD hat es in den Jahren danach
geschafft, diese Leute zu sammeln und an sich zu binden. Man kann sie nicht
einfach ins demokratische Spektrum zurückholen, denn das war vielen von ihnen
schon vor einem Jahrzehnt im Herzen fremd, egal, wie sie damals wählten. Es hat
daher wenig Sinn, sich an ihren Ressentiments abzuarbeiten. Demokratische
Politiker sollten sich lieber Problemen bei Wirtschaft, Bildung und
Infrastruktur zuwenden. Damit könnten sie den Feinden unserer demokratischen
Ordnung zumindest das Argument nehmen, unser Staat sei dysfunktional.
Pressekontakt:
Kölnische Rundschau
Raimund Neuß
Telefon: 0221/1632-555
print@kr-redaktion.de
Weiteres Material: http://presseportal.de/pm/70111/6153238
OTS: Kölnische Rundschau
|