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Köln (ots) - Der Sudan steht nach zweieinhalb Jahren Gewalt und Konflikt vor
einer Hungerkrise historischen Ausmaßes. In dieser Not leisten Menschen im Land
die Verteidigung gegen den Hunger: Lokale Gemeinschaftsküchen - Takaaya - sind
eine Lebensader für Millionen Menschen im Land. In einem neuen Bericht warnt das
globale Islamic Relief Hilfsnetzwerk vor dem Verschwinden dieser lebenswichtigen
Versorgungstruktur aus der Zivilbevölkerung, wenn die internationale
Staatengemeinschaft nicht eingreift und lokale Strukturen fördert.
Nach dem Ausbruch des Konflikts im April 2023 ist die Hälfte der Bevölkerung -
24,6 Millionen Menschen - von Nahrungsmittelknappheit betroffen. An fünf Orten
in der westlichen Region Darfur und in den Nuba-Bergen im Süden des Landes wurde
eine Hungersnot vom IPC-Hunger-Monitor bestätigt, und ähnliche Zustände sind an
Dutzenden weiteren Orten im ganzen Land zu beobachten. Kinder in Sudan
verhungern, obwohl ihre Eltern ihnen alles geben, was sie an Nahrung haben.
"Da die Versorgungswege unterbrochen sind und die lokale Wirtschaft
zusammengebrochen ist, sind Takaaya, wie unsere, zu einer absoluten Lebensader
und einer letzten Verteidigungslinie gegen den Hunger für die Schwächsten in
unserer Gemeinschaft geworden", sagt Dawina, eine Freiwillige der zivilen
Gemeinschaftsküchen.
Auch in der südwestlichen Stadt El Fasher in Darfur, wo mehr als 500 Tage
Belagerung und Blockade alle internationalen Hilfslieferungen unterbrochen
haben, sind die Takaaya für viele Familien die einzige Nahrungsquelle gewesen.
Durch drastische Finanzierungskürzungen, Lebensmittelknappheit, Wasserknappheit
und Treibstoffmangel sowie die völlige Erschöpfung der Freiwilligen nach
zweieinhalb Jahren des Grauens und der weltweiten Vernachlässigung, droht nun
das Verschwinden dieser lebenswichtigen Versorgunglinien.
Die Warnung des globalen humanitären Hilfsnetzwerk Islamic Relief zum Versiegen
dieser lokalen Gemeinschaftsküchen im Land, folgt eine Woche nach der
offiziellen Verkündung des globalen IPC Hunger-Monitors, dass sich in den
Konfliktgebieten Hungersnöte ausbreiten.
Neue Islamic Relief-Untersuchung stützt sich auf Befragung von 585 Hausehalten
im Sudan
Die neuen Untersuchungen von Islamic Relief in Darfur und Gedaref haben eine
akute und weit verbreitete Ernährungsunsicherheit festgestellt. 83 Prozent der
befragten Haushalte gaben an, dass sie keinen Zugang zu ausreichender Nahrung
haben, und mehr als ein Viertel (27 Prozent) sagten, dass sie keine Lebensmittel
für morgen haben. Doch während die Menschen hungern, schaut die Welt
größtenteils noch immer weg.
Die Haushaltsbefragungen wurden im September 2025 in 585 Haushalten an vier
Orten durchgeführt: Al Fao und Al Fashaga im Bundesstaat Gedaref im Osten des
Sudan sowie Golo und Nertiti im Bundesstaat Zentral-Darfur im Westen des Sudan.
Interviews mit Freiwilligen von Takaaya-Gemeinschaftsküchen wurden im ganzen
Land durchgeführt, darunter in Khartum, Omdurman, Kordofan, Darfur und Port
Sudan.
Während die Menschen im Sudan angesichts der weltweiten Gleichgültigkeit mit
einer Hungersnot zu kämpfen haben, zeigt dieser Bericht, wie lokale
Gemeinschaftsküchen - Takaaya - eine Lebensader für hungernde Familien im ganzen
Land geschaffen haben.
Der vollständige Bericht "Takaaya: How Community Kitchens Offer a Lifeline to
Sudan's Hunger Crisis" wurde heute auf Englisch publiziert.
Takaaya - Lokale Gemeinschaftsküchen bergen enormes humanitäres Potenzial
Verwurzelt in den sudanesischen kulturellen Traditionen der Solidarität und den
islamischen Prinzipien der Zakat (eine Form der Almosengabe und religiösen
Steuer) und der Sadaqah (freiwillige Wohltätigkeit), stützt sich das
jahrhundertealte Takaaya auf die Prinzipien der sozialen Reziprozität (sozialen
Gegenseitigkeit), der gemeinschaftlichen Verantwortung und des würdevollen
Zugangs.
In einem zunehmend restriktiven humanitären Umfeld stellt Takaaya ein neues
Modell der lokalisierten Hilfe dar, die herkömmliche humanitäre Ansätze ergänzen
kann.
Der neue Islamic Relief Bericht beleuchtet anhand umfangreicher neuer Interviews
mit lokalen Freiwilligen, die diese Gemeinschaftsküchen im gesamten Sudan
betreiben - darunter auch in einigen der am schwersten zugänglichen Regionen -
sowohl das enorme humanitäre Potenzial dieses Ansatzes als auch seine
Fragilität.
Es ist dringend notwendig, diese Lebensadern aufrechtzuerhalten und sie in einem
breiteren humanitären Rahmen anzuerkennen. Die internationale Gemeinschaft muss
einen umfassenden Ansatz verfolgen, um lokale Bemühungen zu unterstützen, noch
größere Katastrophen zu verhindern und ihre Herangehensweise an die Hilfe zu
ändern, fordert das globale Hilfsnetzwerk Islamic Relief.
Erschöpfung, Ressourcenknappheit und globale Vernachlässigung zerstören das
Versorgungsnetzwerk
Nach zwei Jahren Krieg und extremen Leids sagen viele Freiwillige, dass sie sich
zunehmend erschöpft und von der Welt verlassen fühlen. Ein Freiwilliger erzählt:
"Emotional ist es sehr anstrengend. Manchmal komme ich abends nach Hause und
kann nichts essen. Meine Frau bereitet das Abendessen zu, und ich starre es nur
an und denke an die Familien, die an diesem Tag nichts zu essen bekommen haben.
Meine Kinder merken das - sie fragen, warum ich so still bin, warum ich traurig
aussehe. Ich versuche es ihnen zu erklären, aber wie sagt man einem 10-Jährigen,
dass man anderen Kindern sagen musste, sie sollten hungrig nach Hause gehen?"
Drastische Finanzierungskürzungen, Lebensmittelknappheit, Wasser und Treibstoff
sowie die völlige Erschöpfung führen dazu, dass diese lebenswichtigen
Versorgungslinien verschwinden. Der Gemeinschaftsgeist, der sie aufrechterhält,
wird zermürbt, während das Gespenst der Hungersnot immer größer wird.
Forderungen an die globale Staatengemeinschaft für die Stärkung lokaler
Strukturen
Das globale Islamic Relief Netzwerk fordert die internationale Gemeinschaft
nachdrücklich auf, die Mittel für humanitäre Hilfe aufzustocken und die lokalen
Maßnahmen zur Bekämpfung des Hungers im Sudan zu unterstützen, indem sie
- den Takaaya dringend flexible, direkte Finanzmittel und Unterstützung zur
Verfügung stellt, damit sie weiterhin lebensrettende Dienste leisten kann.
- das Verständnis für die von den Gemeinschaften geleiteten Krisenmaßnahmen
vertieft, um kurz- und langfristige Maßnahmen zu entwickeln.
- Investitionen in sofortige und langfristige Programme, die die vor Ort
festgelegten Prioritäten von Basisbewegungen (grass root groups) unterstützen,
tätigen.
- Die Sicherstellung des direkten Zugangs zu und die Anerkennung von lokalen
Bemühungen im Rahmen der humanitären Hilfe gewährleisten.
Außerdem müssen folgende Punkte gewährleistet werden:
- Investitionen in lokale Bemühungen und Anpassung der humanitären Hilfsansätze
an lokale Maßnahmen
- Förderung echter Partnerschaften für mittel- und langfristige Wirkung
- Nutzung vertrauenswürdiger nationaler Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und
Diaspora-Netzwerke zur mittel- und langfristigen Stärkung des lokalen
Hilfsökosystems
- Gewinnung von Erkenntnissen und Verbesserung der Rechenschaftspflicht für die
Zukunft der humanitären Architektur
Seit Ausbruch des Konflikts im April 2023 hat Islamic Relief mehr als 1,2
Millionen Menschen mit Hilfsgütern wie Lebensmitteln, medizinischer Versorgung,
Bargeld-Hilfen, landwirtschaftlicher Unterstützung und psychologischer Betreuung
versorgt. Die Organisation arbeitet landesweit mit Takaaya zusammen, auch in
schwer erreichbaren Gebieten wie Darfur und Nord-Kordofan.
Anmerkungen für Redaktionen
- Der vollständige Bericht "Takaaya: How Community Kitchens Offer a Lifeline to
Sudan's Hunger Crisis" ("Takaaya: Wie Gemeinschaftsküchen eine Lebensader für
die Hungerkrise im Sudan darstellen") ist ab heute, dem 6. November, unter
folgendem Link auf Englisch verfügbar
https://islamic-relief.org/wp-content/uploads/2025/10/Takaaya.pdf .
Pressekontakt:
Sara Ahmed Martinez, Pressereferentin
Telefon: 0221 200 499-2279
E-Mail: mailto:presse@islamicrelief.de
Weiteres Material: http://presseportal.de/pm/50131/6154008
OTS: Islamic Relief Deutschland e.V.
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