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Berchtesgaden (ots) - "Olympiamedaille, das ist der Plan"
Viermal hintereinander hat Julia Taubitz den Gesamt-Weltcup bei den Damen
gewonnen. Deshalb liegt der spezielle Fokus der Athletin aus Deutschland auf
einer Medaille bei den Olympischen Spielen 2026 in Cortina d'Ampezzo. Trotzdem
ist die 29-Jährige mit Prognosen vorsichtig, denn schon 2022 in Peking ging sie
als Favoritin ins Rennen, stürzte aber im zweiten Durchgang und wurde am Ende
Siebte.
Frau Taubitz, in diesem Winter stehen die Olympischen Spiele in Cortina
d'Ampezzo an. Daneben gibt es den EBERSPÄCHER Weltcup. Was wäre für Sie
bedeutender: der Olympiasieg oder der Gewinn des Gesamtweltcups?
Julia Taubitz: "Ganz klar die Olympiamedaille, das ist der Plan."
Wie liegt Ihnen die neue Bahn in Cortina?
Julia Taubitz: "Ich finden die Bahn sehr gelungen und sehr gefühlvoll. Der
Rhythmus der Kurven ist sehr schön, man kann toll mit dem Schlitten
runtertanzen. Die Schlüsselstelle für uns ist die Kurve 4. Die muss man gut
treffen. Ansonsten hatte ich sehr viel Spaß und Freude, kam unten sehr oft mit
einem Lachen an. Einziger kleiner Kritikpunkt: Vielleicht ist die Bahn ein
bisschen zu langsam, für meinen Geschmack dürfte sie schneller sein."
Ihre schärfste Widersacherin in den vergangenen Jahren, die Österreicherin
Madeleine Egle, wurde wegen drei verpasster Dopingtests für 20 Monate gesperrt
und verpasst damit Olympia. Wird es dadurch einfacher für Sie?
Julia Taubitz: "Nein, absolut nicht. Das höre ich, seitdem das Urteil bekannt
ist, immer häufiger. Aber das ist Schwachsinn. Klar war Madeleine eine der
größten Konkurrentinnen, aber es gibt noch genügend andere Kolleginnen, die
vorne mitmischen können. Olympia hat gefühlt eh immer seine eigenen Gesetze. Von
daher bleibt es weiter unendlich spannend, wer am Ende die Nase vorne hat."
Sie wissen, wovon Sie sprechen. Bei den Olympischen Spielen 2022 waren Sie als
Favoritin ins Rennen gegangen, sind nach einem Sturz im zweiten Durchgang
lediglich Siebte geworden. Was haben Sie aus diesem Rennen mitgenommen?
Julia Taubitz: "Im ersten Moment ist damals für mich eine Welt
zusammengebrochen. Das war wirklich nicht schön. Obwohl ich am nächsten Tag
wieder gerodelt bin und im vierten Durchgang die Bestzeit gefahren bin, habe ich
lange gebraucht, um diesen Rückschlag zu verarbeiten. So eine Situation zu
verarbeiten, braucht innerlich sehr viel Arbeit. Rückblickend kann ich sagen,
dass ich dankbar für diese Erfahrung bin. Zum einen habe ich gesehen, wer
wirklich hinter mir steht, wer auch in schlechten Zeiten für mich da ist. Und
ich habe mich vor allem mental wesentlich weiterentwickelt. Davor war ich immer
gegen die Arbeit mit Mentaltrainern, aber seitdem habe ich wirklich einen guten
Partner an meiner Seite, durch den ich mich immer weiterentwickele."
Dann steht weiteren Erfolgen nichts mehr im Weg. Sie haben jetzt fünfmal den
Gesamtweltcup gewonnen, Ihre Vorgängerin Nathalie Geisenberger führt mit acht
Erfolgen. Bei den Einzelerfolgen steht es 30:52. Sind diese Marken ein Ziel?
Julia Taubitz: "Tatsächlich nicht. Ich habe mir schon in sehr jungen Jahren
meine sportlichen Ziele gesetzt. Die bestanden aus dem Gesamtweltcupsieg, dem
Weltmeistertitel und dem Olympiasieg. Ich bin keine, die gerne auf Rekordjagd
gehen möchte. Wenn meine Karriere so lange andauert, dass ich auch bei den acht
Erfolgen im Gesamtweltcup rankratze, kann es schon sein, dass es mich in dem
Moment zusätzlich motiviert.
Falls Sie also Olympiasiegerin werden sollten, werden Sie nicht aufhören, weil
Sie alle Ihre Ziele erreicht haben?
Julia Taubitz: "Nein, ich werde noch weitermachen. Ich liebe es einfach, durch
den Eiskanal runter zu fahren. Ich habe so viel Freude an diesem Sport. Und der
Gedanke ans Aufhören tut schon noch ein bisschen weh."
Weh tun auch die Stürze, die immer wieder passieren. Was machen die mit Ihnen?
Julia Taubitz: "Im Endeffekt gehören die dazu. Ich hatte auch mal eine Phase von
drei Jahren, in denen ich nicht gestürzt bin. Als ich dann das erste Mal
gestürzt bin, hat es mich total überrumpelt. Es gehört dazu und ich finde es
auch wichtig, dass es dich ab und zu mal umlegt, denn dadurch trainiert man die
Reaktionen und das Abrollen und was sonst noch dazugehört. Und ich sage auch
immer: Wenn man einen Fehler macht, dann muss es auch wehtun.
Und ohne Sturz bewegen Sie sich nicht im Grenzbereich.
Julia Taubitz: "Richtig."
Den Grenzbereich testen auch die Rennfahrer der Moto-Grand-Prix, die Sie im
Sommer auf dem Sachsenring besucht haben. Bei wem fährt mehr Risiko mit - Rodler
oder Motorradrennfahrer?
Julia Taubitz: "Prinzipiell bei den Motorradrennfahrern. Obwohl ich es immer
wieder erstaunlich finde, wie es die hinhaut. Das sieht unheimlich schlimm aus,
dann stehen die auf und meckern darüber, dass sie gestürzt sind. Gefühlt
passiert da nur selten etwas.
Sie fahren auch Motorrad. Sind Sie schon mal auf einer Rennstrecke gefahren?
Julia Taubitz: "Nein, noch nicht. Mir wurde das immer mal wieder angeboten, aber
diesen Sommer habe ich es absichtlich verschoben. Aber ich gebe zu: Das reizt
mich schon noch mal irgendwann.
Sind Sie ein Adrenalinjunkie?
Julia Taubitz: "Schon."
Sie gehören einer Gruppe Rodlerinnen mit dem Namen "Luge Girls" an. Was hat es
damit auf sich?
Julia Taubitz: "Hahaha. Das ist etwas sehr Schönes, auf das ich sehr stolz bin.
Wir sind sieben Mädels aus Deutschland, Österreich, Italien und der Schweiz.
Beim ersten Weltcup in Sotschi haben wir die Gruppe beim gemeinsamen Abendessen
gegründet. Wir waren alle der Meinung, dass es eigentlich cool wäre, wenn wir
uns auch mal im Sommer treffen würden. Seitdem versuchen wir jeden Sommer ein
verlängertes Wochenende gemeinsam Urlaub zu machen. Wir waren am Gardasee, wir
waren am Bodensee, wir waren in Innsbruck, wir waren in Zürich. Und dieses Jahr
waren wir in Salzburg. Das ist superschön, sich abseits vom Rodeln zu sehen und
über andere Dinge zu sprechen. Ich sehe das so: Am Wochenende sind wir zwei
Minuten Konkurrentinnen, ansonsten sind wir ein halbes Jahr gemeinsam unterwegs.
Und wir verstehen uns halt alle super. Deswegen bin ich froh, dass wir uns als
Freundinnen haben."
Wer gehört dazu?
Julia Taubitz: "Aus der Schweiz die Nathalie Maag, aus Österreich Lisa Schulte,
Hannah Prock und Madeleine Egle und aus Italien die Sandra Robatscher und die
Andrea Vötter. Und ich aus Deutschland."
War Madeleine Egle in diesem Jahr trotz ihrer Sperre auch dabei?
Julia Taubitz: "Die Meldung kam kurz vor unserem Treffen raus. Madeleine ließ
ihre Teilnahme zunächst mal offen. Wir haben ihr gesagt: Wir würden uns freuen,
wenn du kommen würdest, aber wenn nicht, würden wir das auch verstehen. Wir
waren dann echt froh, dass sie gekommen ist. Für sie war es auch mal echt gut,
mit uns über den ganzen Fall zu reden."
Haben Sie sie verstanden?
Julia Taubitz: "Für mich war es eine schwierige Situation, weil ich häufig
gefragt wurde, wie ich das sehe. Ich hatte immer gesagt: Rein sportlich gibt es
die Regeln und es wäre nicht fair, wenn sie keine Strafe bekäme. Aber rein
privat würde ich es ihr nicht wünschen. Wir fahren jetzt zu den Olympischen
Spielen. Es fehlen die Russinnen, die als starke Rodlerinnen immer für Erfolge
in Frage gekommen sind. Jetzt ist Madeleine auch noch weg. Irgendwie traurig."
Mal weg vom Sport: Sie haben ein Tiny House an der Ostsee und ein Wohnmobil.
Julia Taubitz: "Ja, mein Wohnmobil. Damit habe ich mir einen lang gehegten Traum
erfüllt. Was ist größer?
Julia Taubitz: "Tatsächlich das Tiny House. Das hat 36 Quadratmeter. Es gibt
zwei Schlafzimmer, ein Bad, eine Küche und einen Wohn-Ess-Bereich. Der Raum ist
gut genutzt.
Wie häufig können Sie diese zwei "Wohnungen" nutzen?
Julia Taubitz: "Das Tiny House nutze ich zweimal im Jahr, im Frühjahr und im
Herbst. Ansonsten vermiete ich es. Mit dem Wohnmobil dagegen bin ich häufig
unterwegs, auch mal nur am Wochenende. Im Sommer war ich dieses Jahr damit in
Frankreich zum Surfen. Das ist für mich ein absolutes Freiheitsgefühl, das ich
im kommenden Jahr, nach den Olympischen Spielen, sehr viel nutzen werde."
Das Gespräch führte Klaus-Eckhard Jost
Pressekontakt:
Margit Dengler-Paar
Communications Manager
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