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Hamburg (ots) - TikTok gewinnt für Nachrichten und Politik zunehmen an Relevanz.
Für Medienanbieter und politische Akteure ist die Plattform ein wichtiger
Ausspielweg, für Nutzerinnen und Nutzer zunehmend eine Informationsquelle. Junge
Menschen ignorieren dabei aber meist, dass sie durch den TikTok-Algorithmus
vielfältigen Manipulationen ausgesetzt sein können. Eine neue qualitative
#UseTheNews-Studie des Leibniz Instituts für Medienforschung bringt die
zeitgemäße Vermittlung von Nachrichten-, Informations- und Medienkompetenz ins
Spiel, um fit zu machen gegen die Beeinflussungen der Algorithmen. Die
Autorinnen und Autoren zeigen auf, wie Jugendliche und junge Erwachsene die
Plattform nutzen, wie sie mit dem Algorithmus interagieren und wie sie
Wertschätzung und Widerstand erleben.
"Abgesehen von Engagement-Metriken wie Likes oder Kommentaren wissen die
Teilnehmenden wenig darüber, welche personenbezogenen Daten TikTok von ihnen
sammelt, auswertet und in das algorithmische Empfehlungssystem einfließen lässt.
Das heißt, sie können potenzielle Risiken nur schwer abschätzen und haben auch
wenig Bedenken, was ihre Datensammlung betrifft", sagt Studienautorin und
Medienwissenschaftlerin Dr. Leonie Alatassi vom Leibniz-Institut für
Medienforschung in Hamburg. "Hier können Fördermaßnahmen ansetzen, die aufklären
und Bewusstsein schaffen und dann gezielt vermitteln, welche
Handlungsmöglichkeiten es mit Blick auf individuelle Einstellungen und den
persönlichen Datenschutz gibt."
Kernergebnisse der Studie "Zwischen Wertschätzung und Widerstand: Algorithmische
Kompetenz junger Menschen am Beispiel der Kurzvideoplattform TikTok":
- Die Teilnehmenden wissen sehr wenig über die Sammlung und Verarbeitung von
Informationen durch TikTok. Sie haben geringe Bedenken bei der Preisgabe
personenbezogener Daten, aber mit steigendem Alter wächst das Verständnis für
die Funktionsweise der Plattform.
"Ich habe mir allgemein über die App noch nie so Gedanken gemacht. Einfach
runtergeladen, benutzt und mehr auch nicht. Und so über die Daten auch noch
nicht." (männlich, 16 Jahre)
- Die Funktionen auf der For-You-Page werden von ihnen vielfältig genutzt, meist
aber unbewusst und ohne Absicht, um den TikTok-Algorithmus zu beeinflussen.
"Jedes Video gefällt einem halt. Wenn das so individualisiert ist, ist das der
perfekte Zeitvertreib." (weiblich, 16 Jahre)
- Junge Menschen begreifen ihre Handlungsfähigkeit als situativ und begrenzt.
Selbstwirksamkeit, wie etwa die Beeinflussung des Algorithmus durch Interaktion,
wird nur punktuell erlebt. Bei unpassenden Inhalten reagieren viele mit
Genervtheit, Unbehagen oder Kontrollverlust. Dann versuchen sie, den Algorithmus
aktiv zu beeinflussen oder legen Nutzungspausen ein. Dieses Verhalten ist
Ausdruck ihres Autonomiestrebens.
"Wenn ein Video dabei ist, was mich nicht interessiert, dann swipe ich dann
einfach weiter und durch den Algorithmus wird mir das dann weniger angezeigt."
(weiblich, 16 Jahre)
- Sie verbinden die For-You-Page emotional mit positiven Gefühlen wie Interesse,
Wertschätzung oder Unterhaltung. Der Algorithmus wird als personalisierter
Begleiter erlebt.
"Wenn ich es jetzt mal personifizieren müsste, wäre TikTok die Person, die
eigentlich jeder mag. Und jeder ist heimlich gut mit dieser Person, aber wenn
alle da sind, dann wird TikTok halt gemobbt." (weiblich, 20 Jahre)
- Die meisten Befragten empfinden es als praktisch, über TikTok-Inhalte passiv
"auf dem aktuellsten Stand" zu sein. Aktiv nutzen wenige junge Menschen TikTok
als Informationsquelle für politische Inhalte, da sie die Plattform als "nicht
vertrauenswürdig" oder nicht als seriöse Quelle einschätzen.
"Für die Wahl habe ich das jetzt nicht genutzt, weil ich da zu viel bearbeiteten
Kram und zu viele Memes dazwischen hatte, aber für aktuelle News ist TikTok
hervorragend." (männlich, 22 Jahre)
"TikTok ist eine der wesentlichen Informationsquellen junger Menschen. Das gilt
auch für Nachrichten und andere journalistische Angebote auf der Plattform. Wir
haben die Studie unterstützt, weil die Medienbranche fundierte Erkenntnisse über
Stellenwert und Wirkungsweise von TikTok braucht, wenn sie dort neue
News-Formate ausprobiert", sagt Vanessa Bitter, Chief Operating Officer von
#UseTheNews.
Die kompletten Studienergebnisse gibt es hier
(https://doi.org/10.21241/ssoar.106121)
Über die Umfrage:
Konzipiert, durchgeführt und aufbereitet haben die #UseTheNews-Studie Dr. Leonie
Alatassi, Dr. Sascha Hölig und Philipp Kessling vom Leibniz-Institut für
Medienforschung in Hamburg. Zur Beantwortung der Leitfragen wurde eine
qualitative Erhebung konzipiert, die sechs Fokusgruppen (n=31) sowie follow-up
Einzelinterviews mit zwölf der Teilnehmenden umfasst. Die Befragten waren
zwischen 16 und 24 Jahre alt. In den drei Städten Hamburg, Düsseldorf und Erfurt
wurde jeweils eine Gruppe mit Jugendlichen und eine mit jungen Erwachsenen
durchgeführt; mit Blick auf das Geschlecht und die formale Bildung (hoch vs.
niedrig) waren die Gruppen gemischt zusammengesetzt. Die Teilnehmenden für
leitfaden-gestützte Einzelinterviews wurden aus den Fokusgruppen rekrutiert.
Vorab konnten die Teilnehmenden unter entsprechender Anleitung ihre TikTok-Daten
anfordern, herunterladen und ausgewählte Daten zur Verfügung stellen. Diese
wurden analysiert, visuell in Form von Diagrammen aufbereitet und in den
Gesprächen thematisiert. Die Feldzeit lief von März bis Mai 2025.
Über #UseTheNews:
Die UseTheNews gGmbH geht der Nachrichtennutzung und -kompetenz junger Menschen
auf den Grund und entwickelt neue Informations- und Bildungsangebote. Im Sinne
einer funktionierenden und wehrhaften Demokratie verfolgt #UseTheNews das Ziel,
Kindern und Jugendlichen bundesweit ein verlässliches Angebot zum sicheren
Umgang mit Informationen und zur faktenbasierten Meinungsbildung zu machen.
Initiiert wurde #UseTheNews 2020 von der Deutschen Presse-Agentur dpa und der
Hamburger Behörde für Kultur und Medien, begleitet von der Hochschule für
Angewandte Wissenschaften (HAW) Hamburg und dem Leibniz-Institut für
Medienforschung | Hans-Bredow-Institut. Die Initiative wird von einem Kuratorium
aus namhaften Persönlichkeiten aus Medien und Politik unterstützt.
Pressekontakt:
UseTheNews gGmbH / dpa Deutsche Presse-Agentur GmbH
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