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Bonn (ots) - Paketboom setzt Lieferkette und Beschäftigte unter Druck
Rund um Black Friday und Cyber Monday erlebt der Online-Handel einen
regelrechten Boom. Die sprunghaft steigende Paketmenge bringt nicht nur die
Lieferdienste auf der sogenannten "letzten Meile" an ihre Kapazitätsgrenzen -
auch die gesamte Lieferkette gerät unter enormen Druck. Besonders betroffen sind
die Beschäftigten am unteren Ende der Lieferkette, die häufig unter prekären und
teils ausbeuterischen Bedingungen arbeiten müssen.
"Die Belastung für die Beschäftigten steigt in dieser Zeit enorm", sagt Irene
Knoke vom SÜDWIND-Institut in Bonn. "Doch während über Kinder- und Zwangsarbeit
in Produktionsstätten inzwischen gesprochen wird, geraten die Menschen, die die
Waren transportieren, noch zu oft aus dem Blickfeld."
Vielfältige Missstände in der Transport- und Logistikbranche
- Seeleute leben auf teils schwimmenden Gefängnissen unter unwürdigen
Bedingungen, vermittelt von dubiosen Arbeitsagenturen.
- LKW-Fahrer*innen verdienen teilweise weniger als zwei Euro pro Stunde und
werden durch intransparente Auftragsstrukturen ausgebeutet.
- Hafenarbeiter*innen riskieren gefährliche Arbeit ohne angemessene Schulung.
- Lagerarbeiter*innen arbeiten unter strikten Vorgaben, die von Algorithmen
gesteuert werden.
Gerade erst wurde beispielsweise bekannt, dass durch Kontrollen in
Nordrhein-Westfalen zwischen Mai und August 2025 gravierende Missstände bei
Subunternehmen der Paketbranche aufgedeckt wurde: Bei mehr als der Hälfte der
überprüften Firmen wurden grundlegende Arbeitsschutzpflichten nicht erfüllt,
jeder fünfte Paketbote arbeitet teilweise mehr als zehn Stunden am Tag, und
digitale Arbeitszeiterfassung fehlt oft.
"Die Missstände sind strukturell bedingt und längst bekannt", erklärt Knoke.
"Niemand, der einen Transportauftrag vergibt, kann heute noch behaupten, von den
Problemen im Sektor nichts gewusst zu haben. Ein zentrales Problem ist die hohe
Intransparenz: Viele Aufträge werden an Subunternehmen weitergegeben, oft über
Transportbörsen, bei denen allein der Preis entscheidet, wer den Zuschlag
bekommt."
Gräfenhausen: Ein Fall zeigt Wirkung
2023 wurde ein Teil der Probleme in der Logistik-Branche sichtbar: Über 100
LKW-Fahrer*innen kämpften in Gräfenhausen wochenlang um ihre vorenthaltenen
Löhne - ein Fall, der als eine der ersten praktischen Anwendungen des deutschen
Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LkSG) gilt.
"Schließlich waren es auch die Unternehmen, deren Güter auf den LKWs lagen, die
die vorenthaltenen Löhne begleichen mussten", betont Knoke. "Das zeigt: Das
Gesetz kann Missstände aufdecken und Bekämpfung ermöglichen - wenn es umgesetzt
wird."
V erantwortung von Unternehmen und Politik
"Jede vorgesehene Schwächung der gesetzlichen Sorgfaltspflichten - sowohl in
Deutschland als auch auf EU-Ebene - ist ein Schlag ins Gesicht der
Beschäftigten, die jeden Tag alles dafür geben, dass unsere Waren pünktlich
ankommen", sagt Knoke.
Die Expertin für menschenrechtliche Sorgfaltspflichten betont die entscheidende
Rolle der Politik: "Unternehmen müssen Verantwortung übernehmen und faire
Arbeitsbedingungen entlang der gesamten Lieferkette sicherstellen. Doch allein
darauf können wir uns nicht verlassen - es braucht verbindliche gesetzliche
Vorgaben. Lieferkettengesetze in Deutschland und auf EU-Ebene sind ein starkes
Instrument, um Missstände zu beheben. Gerade in Hochbetriebszeiten wie Black
Friday und Cyber Monday zeigt sich, wie dringend solche Regelungen sind."
Pressekontakt:
SÜDWIND-Institut
Irene Knoke
Tel.: +49 (0)228-763698-13
mailto:knoke@suedwind-institut.de
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OTS: SÜDWIND e.V.
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