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Frankfurt am Main (ots) - Neues Verpackungsgesetz in Deutschland, Regeln für
Massenbilanz in Brüssel: Jetzt ist die Chance, einen Rechtsrahmen zu schaffen,
in dem die Potenziale der Technologien gehoben werden.
Eine neue Conversio-Studie zeigt: Deutschland könnte deutlich mehr Kunststoffe
recyceln. Chemische Verfahren bieten als Ergänzung zum mechanischen Recycling
zusätzliche Möglichkeiten - vor allem für solche Abfälle, die sich mit
klassischen Verfahren kaum hochwertig verwerten lassen. Letztes Jahr waren
hierzulande aber erst vier kleinere Pilotanlagen für chemisches Recycling
gemischter Polyolefine in Betrieb (per Anlage Max. 4.000 Tonnen/p. a.) sowie
eine industrielle Anlage (20.000 Tonnen/p. a.) für die Pyrolyse von Altreifen.
Zwei industrielle Anlagen für gemischte Polyolefinabfälle (24.600 Tonnen/p. a.
und 50.000 Tonnen/p. a.) werden derzeit gebaut, 10 weitere Anlagen
unterschiedlicher Größe befinden sich in Planung.
Die Industrie will starten, aber wird ausgebremst
Matthias Belitz vom Verband der Chemischen Industrie sieht die Politik jetzt in
der Verantwortung: "Chemisches Recycling ist bei weitem nicht dort, wo es sein
könnte. Es handelt sich um eine Zukunftstechnologie sowohl zur Reduktion von
Treibhausgasen als auch zur Versorgung mit Rohstoffen. Das ist eine klare
Win-win-Situation für Klimaschutz und Resilienz. Doch solange zentrale
Rechtsfragen offenbleiben, kommen die notwendigen Investitionen nicht ins
Rollen."
Ohne klare Vorgaben wird Deutschland den Anschluss verlieren
"Bisher ist die installierte Kapazität für chemisches Recycling in Europa vor
allem außerhalb Deutschlands angesiedelt", sagt Dr. Christine Bunte von Plastics
Europe Deutschland. "Die Erwähnung des chemischen Recyclings im neuen
Verpackungsdurchführungsgesetz ist ein erster wichtiger Schritt, das Potenzial
auch hier im Land zu heben. Auf europäischer Ebene fehlt noch eine wichtige
Entscheidung, wie chemisches Recycling auch auf die Quoten für den Einsatz von
recycelten Kunststoffen angerechnet werden kann. Diese endlose Diskussion über
die Massenbilanzierung muss daher schnell beendet werden. Wir hoffen, die
Bundesregierung macht hier in Brüssel entsprechend Druck."
Neben dem klaren Rechtsrahmen für chemische Verfahren setzen sich die Verbände
dafür ein, dass auch lösemittelbasierte Prozesse als Teil der Lösung gefördert
werden. Dadurch werden deutlich höhere Reinheiten erzielt als bei herkömmlichen
mechanischen Recyclingverfahren, so dass mehr Abfälle recycelt werden und
besonders hochwertige Rezyklate hergestellt werden können.
Hintergrund: Was ist chemisches Recycling?
Beim chemischen Recycling werden Kunststoffe in ihre chemischen Grundstoffe
zerlegt. Dabei entstehen kohlenstoffhaltige Öle und Gase, sowie Feststoffe.
Diese Öle und Gase können erneut zur Herstellung von Kunststoffen verwendet
werden und fossile Rohstoffe in der Kunststoffproduktion teilweise ersetzen.
Chemisches Recycling gilt daher als ein wichtiger Baustein für die
Defossilierung der Kunststoffproduktion. Da chemisch recycelte Materialien aber
überwiegend in der Verarbeitung zu neuen Produkten bislang einen geringen Anteil
haben, werden sie gemeinsam mit fossil-basierten Materialien verarbeitet. Daher
kann ihr Anteil im Endprodukt nicht direkt bestimmt werden. Der Rohstoffanteil
wird deshalb, ähnlich wie bei Fair-Trade-Schokolade, Ökostrom- oder Biomasse,
den Endprodukten über Massenbilanzen zugeordnet.
Fakten kompakt: Der Stand des chemischen Recyclings in Deutschland
Aktuelle Kapazitäten: In Deutschland waren im letzten Jahr fünf Anlagen in
Betrieb, die zusammen rund 20.000 Tonnen Altreifen und 10.000 Tonnen
Kunststoffabfälle pro Jahr aufnehmen können. Das entspricht nur einer sehr
kleinen Menge des gesamten Kunststoffabfalls in Deutschland, der jährlich bei
über sechs Millionen Tonnen liegt.
Was möglich wäre: Laut Studie stehen dem chemischen Recycling, als Ergänzung des
mechanischen Recyclings, bis 2035 etwa eine halbe Millionen Tonnen geeigneter
Abfälle zur Verfügung. Dazu zählen vor allem Reststoffe und gemischte
Kunststoffreste aus dem Gelben Sack, die heute noch verbrannt werden, weil sie
sich mechanisch nicht verwerten lassen.
Geplanter Ausbau: Sollten alle aktuell geplanten Projekte umgesetzt werden,
könnte die Kapazität des chemischen Recyclings auf bis zu 0,8 Millionen Tonnen
steigen, was rund dreizehn Prozent des deutschen Kunststoffabfalls entspricht.
Die Studienautoren gehen aufgrund von Verzögerungen einzelner Investitionen
allerdings bis 2035 eher von einem mittleren Mengenzuwachs auf rund 0,3
Millionen Tonnen aus.
Was recycelt werden kann: In Deutschland dürften sich die Investitionen vor
allem auf Anlagen für Pyrolyse- und Verölung konzentrieren. Für diese chemischen
Recyclingverfahren eignen sich vor allem stark gemischte Kunststofffraktionen
und Verbundkunststoffe, die für hochwertiges mechanisches Recycling zu komplex
oder zu stark verschmutzt sind, darunter polyolefinreiche Reststoffe (mit hohem
Anteil an HDPE, LDPE, PP), oder Altreifen sowie bestimmte PS- und PMMA-Abfälle.
Wichtigste Rohstoffquelle: Der Großteil, der für das chemische Recycling
geeigneten Kunststoffabfälle stammt aus der Leichtverpackungs (LVP)-Sammlung
("Gelber Sack/Gelbe Tonne"): Rund 92 Prozent des aktuellen Inputs kommen aus
diesem Strom, der Rest aus Gewerbeabfällen und industriellen Quellen.
Hintergrund zur Studie: Die Studie "Chemisches Recycling in Deutschland -
Ist-Situation 2024 und Ausblick bis 2030/2035" wurde vom
Marktforschungsunternehmen Conversio erstellt. Auftraggeber der Studie ist die
BKV GmbH mit Unterstützung von u.a. Plastics Europe Deutschland und VCI. Eine
Kurzfassung und eine Langfassung der Studie sind über die Homepage der BKV
erhältlich.
Pressekontakt:
Bettina Dempewolf
Leiterin Kommunikation
Telefon: +49 171 9713962
E-Mail: mailto:bettina.dempewolf@plasticseurope.de
Weiteres Material: http://presseportal.de/pm/57333/6177270
OTS: PlasticsEurope Deutschland e.V.
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