|
Osnabrück (ots) - Denis Moschitto (48) hat vor seinem Debüt als
"Tatort"-Ermittler die Lebensgeschichte seiner Mutter erzählt, die als junge
Frau mit ihrem Cousin verheiratet wurde: "Bei ihrer Zwangsehe wird sie 18 oder
19 gewesen sein", sagte Moschitto der Neuen Osnabrücker Zeitung (NOZ). "Sie ist
danach aus ihrem Dorf abgehauen und zuerst nach Istanbul gegangen. Da hat ihr
damaliger Mann sie ausfindig gemacht. Er war auch ihr Cousin."
Dieser erste Ehemann, so Moschitto weiter, "war vom Alter her nicht weit von ihr
entfernt und auch nicht gewalttätig oder so. Meine Mutter mochte den sogar sehr.
Sie waren wie Geschwister. Sie wollte nur nicht mit ihm verheiratet sein. Er
aber mit ihr. Und das war ein Konflikt. Das größere Problem waren aber wohl ihre
Eltern. Meine Mutter war schon immer ein Freigeist. Sie wollte die Welt sehen
und nicht als Hausfrau in Ostanatolien 20 Kinder großziehen."
Die Rettung war für Moschittos Mutter dann das deutsche Gastarbeiter-Programm:
"Damals hat die Deutsche Bahn in Istanbul Gastarbeiter rekrutiert. Meine Mutter
ist zur Anlaufstelle gerannt und hat gesagt: Ich will hier weg. So kam sie nach
Köln." Hier habe sie dann Moschittos aus Italien stammenden Vater kennengelernt.
Die Familienbeziehungen beschreibt Moschitto danach als belastet: "Von meiner
Mutter gab es Versuche der Annäherung an meine Großmutter. Der Großvater lebte
schon nicht mehr. Ich weiß, dass meine Mutter lange ein schlechtes Gewissen
hatte - einfach weil sie ihre Mutter nie mehr gesehen hat. Irgendwann kam von
einer Cousine die Nachricht, dass sie gestorben ist. Da war meine Mutter am
Boden zerstört. Der Kontakt zu ihrem Bruder und zu anderen Teilen der Familie
ist aber wieder zustande gekommen, und jetzt habe ich ganz viele Cousins und
Cousinen in der Türkei." Bei einer gemeinsamen Reise mit der Mutter durch die
Türkei, so Moschitto, seien ihm "alle möglichen Leute als Onkel und Tanten
vorgestellt worden".
Zur Motivation, aus der seine Großeltern die Zwangsehe der Mutter beschlossen
hatten, sagte Moschitto: "Ich glaube, die wussten es einfach nicht besser. Das
war ihre Lebensrealität. Da war eine junge Frau und die musste unter die Haube.
So hat man das auf dem Land damals gemacht. Es war normal, innerhalb der Familie
zu heiraten. Niemand hat sich was dabei gedacht."
Heute blickt Moschitto mit großem Respekt auf die Geschichte: "Wenn ich über den
Lebensweg meiner Eltern nachdenke, bin ich selbst immer beeindruckt. Ich bin in
Köln geboren und habe es irgendwie nie aus dieser Stadt geschafft. Die sind um
die halbe Welt gereist und haben ein völlig neues Leben aufgebaut, ohne die
Sprache zu verstehen. Und das ist natürlich nicht nur ihre Lebensleistung,
sondern die einer ganzen Generation von Gastarbeitern. Und wie meine Eltern
haben sie es alle für ihre Kinder gemacht, die ein besseres Leben haben sollten.
Bei uns also für meine Schwester und mich."
Pressekontakt:
Neue Osnabrücker Zeitung
Redaktion
Telefon: +49(0)541/310 207
Weiteres Material: http://presseportal.de/pm/58964/6182665
OTS: Neue Osnabrücker Zeitung
|