|
Köln (ots) - Wer sich durch die Architektur unserer Gegenwart bewegt, kennt
diese Zonen: Übergänge, Foyers, Flure, Empfangsbereiche. Orte, die man passiert,
ohne sie wirklich zu betreten. Sie sind funktional, oft neutral, manchmal
überladen - und fast immer austauschbar. Gerade dort, wo viele Menschen täglich
zusammenkommen, bleibt selten etwas hängen, das Identifikation oder Ruhe
ermöglicht. Die Kölner Künstlerin Jana Dettmer setzt mit ihrem Herzprojekt "The
Square Project" genau an diesem Punkt an: Sie will Räume nicht dekorieren,
sondern ihnen eine spürbare, wiedererkennbare Haltung geben - als künstlerischen
Beitrag zu einem Alltag, der zunehmend von Reiz, Tempo und Anonymität geprägt
ist.
Dettmers Ansatz ist dabei so klar wie konsequent: Farbe wird zur Sprache,
Geometrie zur Grammatik. Das Quadrat ist nicht Motiv, sondern System. Aus
einzelnen Elementen entsteht ein Raster, aus einem Raster eine Atmosphäre - und
aus einer Fläche ein Ort, der etwas auslöst: Innehalten, Orientieren,
Wiedererkennen. Für Dettmer ist das keine Stilfrage, sondern eine
gesellschaftliche.
Wenn Kunst mehr ist als "schön": Der Ort als soziale Aufgabe
In der Kulturberichterstattung wird Kunst häufig über Inhalte, Formensprache und
kunsthistorische Bezüge verhandelt. Bei "The Square Project" drängt sich
zusätzlich eine andere Frage auf: Was kann Kunst im öffentlichen und
halböffentlichen Raum leisten - jenseits von Repräsentation und Prestige?
Dettmer beantwortet das mit einem Begriff, der zunächst aus dem Städtebau zu
stammen scheint: Infrastruktur. Nur meint sie damit nicht Leitungen und Wege,
sondern das, was Räume im Alltag zusammenhält: Orientierung, Wiedererkennung,
das Gefühl, nicht verloren zu sein, sondern gemeint zu sein. "Mit meiner Kunst
möchte ich Menschen inspirieren, in Bewegung zu bleiben und ihre Ideen weiter zu
verfolgen", sagt Dettmer. Dieser Satz wirkt wie ein persönliches Credo - und er
erklärt, warum ihre Installationen nicht auf Effekt zielen, sondern auf Haltung.
Denn in einer Umgebung, die ständig Aufmerksamkeit fordert, wird Klarheit zur
Entlastung. In einem Alltag, der viele Menschen in Übergangszonen verbannt -
zwischen Terminen, Zuständigkeiten, Aufgaben - wird ein Ort, der eine erkennbare
Identität hat, schnell mehr als Kulisse. Dettmers Installationen verstehen sich
als Einladung zur bewussten Wahrnehmung: nicht laut, nicht belehrend, aber
präsent. Sie stiften Bezugspunkte, die man wiederfindet. Und Wiederfinden ist,
im Kleinen, bereits ein soziales Angebot.
Hier schließt sich auch die gesellschaftliche Relevanz an, die über
Kunstinteresse hinausreicht: Räume prägen Verhalten. Sie beeinflussen, ob
Menschen sich sammeln oder hetzen, ob sie sich orientieren oder überfordert
sind, ob sie in Beziehung treten oder aneinander vorbeigleiten. Dettmers "The
Square Project" will solche Zustände nicht verwalten, sondern verändern - durch
eine Sprache, die jeder versteht, ohne dass man "Kunst verstehen" muss: Farbe.
Das Quadrat als Einladung: Ordnung, die nicht einengt
Die zentrale Figur in Dettmers Projekt ist das Quadrat. In ihren Texten
beschreibt sie es als Symbol für Grenze und deren Überwindung: zwei horizontale
und zwei vertikale Linien, die ordnen - und gleichzeitig öffnen. Diese Symbolik
ist kein nachträgliches Etikett, sondern trägt den konzeptionellen Kern: Das
Quadrat erlaubt Strenge, ohne starr zu werden. Es ermöglicht Systeme, ohne in
Ornamentik zu kippen. Es ist ein Format, das sich verbinden lässt - modular,
seriell, variabel.
In der Konsequenz wird der Raum nicht "voller", sondern klarer. Die Installation
entsteht aus der Anordnung der Quadrate zueinander: aus Abständen, Rhythmen,
Reihungen, aus dem Wechselspiel von Farbflächen. Dettmer arbeitet mit intensiven
Tönen und einer strengen Ordnung - und erzeugt damit nicht Kälte, sondern eine
einzigartige, konzentrierte Wärme. Das Projekt versteht Raum und Kunst als
Einheit: Größe, Anzahl, Anordnung und Farbkomposition werden auf den Charakter
des Ortes abgestimmt. So entstehen keine austauschbaren Lösungen, sondern
Setzungen, die die Eigenart eines Ortes aufgreifen und verdichten.
Das Entscheidende ist: Die Ordnung dient nicht der Disziplinierung, sondern der
Zugänglichkeit. Dettmers Raster sind so etwas wie visuelle Geländer. Sie helfen
dem Blick - und damit dem Menschen - sich zu verorten. In einer Zeit, in der
Gestaltung häufig entweder nach Aufmerksamkeit schreit oder in Neutralität
verschwindet, wirkt diese Form von Klarheit fast überraschend. Sie nimmt den Ort
ernst, statt ihn zu übertönen.
Damit rückt "The Square Project" in eine Tradition, die in der Kunstgeschichte
immer wieder aufleuchtet: die Idee, dass Reduktion nicht Verzicht ist, sondern
Verdichtung. Dass Geometrie nicht distanziert, sondern strukturiert. Und dass
Farbe nicht Dekor, sondern Energie sein kann - ein Medium, das unmittelbar
wirkt.
Verbundenheit als Wirkung: Warum Bezugspunkte gesellschaftlich zählen
Das Wort "Verbundenheit" klingt zunächst weich, beinahe privat. Im Kontext von
Raumgestaltung ist es jedoch ein hartes Kriterium: Verbundenheit entscheidet
darüber, ob Orte angenommen werden oder als Nicht-Orte bleiben. Dettmers Projekt
ist genau dort verortet - in der Transformation von Flächen, die man lediglich
nutzt, hin zu Orten, zu denen man sich verhält.
Diese Wirkung entsteht nicht durch Erzählung, sondern durch Erfahrung. Das
Raster ist wiedererkennbar. Es ist nicht beliebig. Es bildet, im besten Sinn,
eine Adresse im Raum. Und wo Adressen entstehen, entsteht Öffentlichkeit: ein
gemeinsamer Referenzpunkt, über den man sprechen kann, an dem man sich
orientiert, an dem man sich "trifft", auch wenn man sich nicht verabredet. Das
klingt unspektakulär - ist aber im Alltag oft der Unterschied zwischen
Vereinzelung und Miteinander.
Dettmers Kunst will dabei nicht sozialpädagogisch sein. Sie arbeitet nicht mit
Botschaften, die man "lesen" muss, sondern mit einer Atmosphäre, die man spürt.
Sie lädt ein, statt zu erklären. Und gerade diese Zurückhaltung kann in Räumen,
die täglich von vielen genutzt werden, eine Stärke sein: Die Installation wird
Teil der Umgebung, ohne sie zu dominieren. Sie ist präsent genug, um Bezug zu
stiften - und offen genug, um unterschiedlich gelesen zu werden.
Auch deshalb lässt sich "The Square Project" als "soziale Infrastruktur"
verstehen: nicht als Programm, sondern als Rahmen. Ein Rahmen, der Menschen
nicht inhaltlich lenkt, aber ihnen ermöglicht, sich im Raum zu orientieren, zu
sammeln, zu erkennen. Die gesellschaftliche Dimension liegt im Zusammenspiel aus
Klarheit und Offenheit: Wer sich zurechtfindet, bleibt eher gelassen. Wer
Bezugspunkte hat, fühlt sich eher zugehörig. Und wer sich zugehörig fühlt,
verhält sich anders - respektvoller, aufmerksamer, weniger gehetzt.
Jana Dettmer: Farbe als Haltung
Jana Dettmer lebt und arbeitet in Köln und in Südfrankreich. Sie beschäftigt
sich seit Jahren intensiv mit der ästhetischen, psychologischen und
philosophischen Bedeutung von Farbe. Ihre Arbeiten wurden in mehreren Städten im
In- und Ausland gezeigt; zudem sind Werke in nationalen und internationalen
Sammlungen vertreten. 2022 erschien ihre Monografie "Neue Farbmalerei | New
Colour Painting. Das unendliche Spiel der Farben" (ArtForum Editions), die ihren
Weg der Verdichtung und Klarheit dokumentiert.
"The Square Project" bündelt diese Entwicklung in einer Form, die zugleich
künstlerisch präzise und gesellschaftlich anschlussfähig ist: ein Projekt, das
nicht fordert, dass man Kunstexpertise mitbringt - sondern das zeigt, dass Kunst
dort am stärksten wirkt, wo sie unser tägliches Leben berührt. Nicht als lauter
Kommentar, sondern als spürbare Veränderung des Raums.
Und vielleicht ist das die eigentliche Pointe dieses Projekts: Es nimmt das
"Dazwischen" ernst - jene Orte, die wir sonst übersehen. In ihnen entscheidet
sich, wie wir uns bewegen, wie wir uns begegnen, wie wir uns fühlen. Wenn Kunst
dort Bezug schafft, entsteht mehr als ein schönes Bild. Es entsteht ein Ort.
Pressekontakt:
DKF Deutscher Kunst Fachverlag GmbH
mailto:redaktion@dkfverlag.de
Weiteres Material: http://presseportal.de/pm/175707/6184803
OTS: DKF Deutscher Kunst Fachverlag GmbH
|